Polettos Kochschule - Mein Grundkurs für Einsteiger
Von Claudia am Nov 4, 2009 | In Rezensionen
Cornelia Poletto ist Köchin aus Hamburg. Vom Guide Michelin wurde sie schon kurz nach Öffnung ihres Restaurants mit einem Michelin-Stern bedacht und einem größeren Publikum sicher durch "Kerners Köche" bekannt. Mit Polettos Kochschule - Mein Grundkurs für Einsteiger legt sie nun ihr 3. Kochbuch vor.
Frau Poletto kocht auf hohem Niveau, stark beeinflusst ist ihre Küche von der italienischen. Sie schafft es immer wieder, dabei nicht nur auf Fett als Geschmacksträger zusetzen, sondern mit viel frischem Gemüse, Kräutern und Gewürzen leichte Gerichte zu zaubern. Ich hatte das Glück, schon ein paar Mal Kreationen von ihr zu probieren, besonders erinnere ich mich etwa an eine Art Gazpacho, das so aromatisch war, dass ich noch lange davon schwärmte.
Im ersten Kochbuch "Alles Poletto" aus dem G & U-Verlag ging es um Polettos Lieblingszutaten in der Küche, Polettos Kochschule (hier geht's zu meiner Rezension) war dann das erste Buch bei Zabert-Sandmann, gleichzeitig Begleitbuch zur Serie im NDR. Dort kochte die Köchin stets mit einem prominenten Kochschüler vor Publikum. Die neue "Kochschule" begleitet wiederum eine im Oktober 2009 gestartete Fernsehreihe. Diesmal wird ihr ein Moderator als Kochschüler zur Seite gestellt, der höchstwahrscheinlich als Clown engagiert wurde. Wer mag, kann Polettos Kochschule im NDR auf den NDR-Seiten verfolgen. Der Link zu den Videos funktionierte bei mir leider nur sehr unzuverlässig. In der NDR-Mediathek lassen sich nach umständlicher Suche (ich brauchte 2 Anläufe) die aktuellen Folgen und einige aus der letzten Staffel online angucken.
Einmal abgesehen von dem nervigen Kasper, gefällt mir Polettos unprätentiöse Art. So manchen Trick kann man sich dabei durchaus abschauen.
Generell fällt bei vielen Büchern von TV-Köchen auf, dass sie im Impressum des Buchs fast nie präsent sind, dafür aber meist mindestens ein Redakteur mit am Werkeln war - was nicht negativ sein muss. Mehrere Köche erklärten mir schon: Köche hassen es, Rezepte aufzuschreiben. Ich frage mich auch, wie vielbeschäftigte Köche mit Restaurant und Fernsehauftritten überhaupt ein Buch schreiben können. Besonders übrigens bei Jamie Oliver, der vor laufenden Kameras sagte, er habe eine Leseschwäche.
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Die Rezepte zur Sendung sind natürlich auch alle im Buch und in "Grundkurse" aufgeteilt. Im "Grundkurs Tomaten" wird in Step-by-Step-Fotos gezeigt, wie man Tomaten häutet oder Bruschetta zubereitet. Die folgenden Rezepte sind einfach bis raffiniert. Das fängt beim Tomatensugo an (das ist übrigens wortwörtlich das gleiche Rezept wie im Vorgängerbuch, aber auch das einzige Rezept, das deckungsgleich ist) und geht bis zu Tomaten-Caipirihnha mit Zitronenthymian. Etwas floskelhaft fand ich den einleitenden Satz zur Tomatenvielfalt: "Die Tomatenwelt wird immer vielfältiger" Das stimmt leider nicht, insgesamt geht auch bei Tomaten die Sortenvielfalt zurück. In der Wahrnehmung gibt es aber mehr Tomatensorten im Angebot, weil man sich in den letzten Jahren wieder auf alte Sorten besonnen hat, die auch verstärkt auf den Markt kommen. Beim Thema Tomaten bin ich pingelig ;)
Die Kapitel sind immer so aufgebaut, dass auch Anfänger mit 1-2 Rezepten etwas anfangen können. Das fand ich allerdings weniger spannend, denn Rezepte für Basis-Tomaten-Sugo gibt es zuhauf. Spannend - und im Grunde ganz und gar nicht für Einsteiger geeignet - sind die aufwändigeren, Augenschmaus und Gaumengenuss suggerierenden Rezepte. Fast ausschließlich verwendet Poletto hochwertige Produkte, frische Kräuter wie Thymian, Basilikum und Rosmarin sollte man im Haus haben. Viele Zutaten sind nur in Spezialitätengeschäften zu finden, so benötigt man für die Crêpes-Säckchen mit Pilzfüllung Kräuterseitlinge, Taleggio-Käse und frischen Kerbel. Zwar gibt es den Hinweis, dass man Taleggio auch durch einen anderen würzigen Weichkäse ersetzen kann - aber welcher, das bleibt dem Einsteiger verborgen.
Wer sich als Einsteiger ans Nachkochen macht, benötigt also recht viele Zutaten, die bei Anfängern schlichtweg nicht vorhanden sind. Raz-el-Hanout, Piment d'Espelette, Zimtblüten (die kannte ich bislang auch nicht), Kaffirlimettenblätter - das mag in den Ohren von Foodies wie Musik klingen - der Anfänger ist abgeschreckt, denkt aber: Das brauche ich unbedingt, denn er kann meist noch nicht so gut improvisieren. Pluspunkt aber: Fast alle exotischeren Zutaten werden beschrieben.
Wie eigentlich immer beim Kochen sollte man an die "Mise en place" denken. Wer alle Zutaten gut vorbereitet, läuft nicht Gefahr, dass etwas zu lange köchelt (und verkocht) oder gar anbrennt. Das habe ich bislang aber in fast jedem Kochbuch vermisst. Die meisten Leute fangen nämlich erst einmal an und merken dann, dass die 400 g Zwiebeln erst noch in kleine Stücke geschnitten werden müssen, die eigentlich exakt jetzt in den Topf wandern sollten. Die halbe Miete beim Kochen ist eben, dass man die meisten Zutaten schon so abgewogen und zurechtgeschnibbelt hat, wie sie später auch verwendet werden.
Kleine Fehler im Buch: Bei den Schokoladenkeksen wird Schokolade in Butter geschmolzen, später im Text aber nicht erwähnt, ob und wann die Butter-Schokoladenmischung zum Teig gegeben wird. Das ist für Anfänger frustrierend, weil sie vielleicht erstmals solche Kekse backen. Bei der Zabaione mit Walnuss-Karamell-Äpfeln tauchen bei den Zutaten gar keine Walnüsse auf, sondern Pecan-Nüsse. Da wurde wohl nachträglich entweder der Titel oder die Zutaten zum Rezept verändert und versäumt, anzupassen.
So, genug der Kritik, denn ich finde die Rezepte wirklich sehr klasse, deshalb hier ein paar Rezepttitel, bei denen mir das Wasser im Mund zusammenlief:
Kalbs-Carpaccio mit Gorgonzola und Pekannüssen
Garnelen mit Peperonata in Pergament gegart (schon ausprobiert!)
Gebratenes Zanderfilet mit Pfifferling-Spitzkohl-Gemüse und Haselnusssauce
Handgemachte Steinpilz-Tagliatelle mit Pilzrahm und Radicchio
Gratinierte Champignons mit Ziegenkäse und Pinienkernen
Mandelparfait mit Amaretto und Marsala
Gebackener Mozzarella mit Tomaten-Panino
Entenkeulen auf Balsamico-Linsen mit braunen Champignons
Gefüllte Schollenfilets auf Meerrettich-Risotto
Sie merken - das sind keine anspruchslosen Einsteiger-Rezepte. Ich denke aber, dass man sowohl mit dem Titel der Sendung bzw. des Buches eine möglichst breite Leserschaft erreichen möchte. Der ambitionierte Home Cook kann die Rezepte aber umsetzen und wird sich an ihnen erfreuen. Deshalb werde ich mich noch häufig von Frau Poletto inspirieren lassen.
Bereits von Cornelia Poletto nachgekocht
Garnelen mit Peperonata in Pergament
Omelett mit Käse gefüllt (bei mir 2 Käse, bei Poletto 4 Sorten)
Pasta mit Tomatensauce und Salsiccia (u.a. von Poletto inspiriert)
Gewürz-Apfelragout
Crespelle mit Spinat-Ricotta-FüllungRezensiert
Polettos Kochschule (1. Staffel)
Hirschgulasch mit Haselnussspätzle (lediglich die Haselnussspätzle von Poletto)Poletto-Bücher bei amazon.de
Alles Poletto!
Polettos Kochschule
Polettos Kochschule - Mein Grundkurs für Einsteiger
8 Kommentare
Danke für den Hinweis auf den "nervigen Kasper". Durch den Link habe ich gesehen, um wen es sich handelt. - Für mich ist der Moderator ein Grund, auf diese Sendung zu verzichten.
Danke für Deinen gründlichen Blick zwischen die Buchdeckel. Frau Poletto ist mir sehr sympathisch. Ich vermisse bei der Gestaltung ihrer Bücher etwas mehr lockeren Style.
Danke für die ausführliche und interessante Buch-Rezension
@nata: Ja, furchtbar, aber mich schreckt das nicht ab ;)
@Valentina: Ja, locker, das geht irgendwie bei ZabertSandmann nicht. Da wird man dem seit dem "Buch mit dem Löffel" geschätzten 80er-Jahre-Konzept doch nicht untreu werden. ;)
Ich glaube ein leicht verändertes Layout könnte tatsächlich für mehr Lässigkeit sorgen.
Zu dem Kommentar " Ich frage mich auch, wie vielbeschäftigte Köche mit Restaurant und Fernsehauftritten überhaupt ein Buch schreiben können. Besonders übrigens bei Jamie Oliver, der vor laufenden Kameras sagte, er habe eine Leseschwäche. " Das kann ich ganz einfach beantworten:
Jamie diktiert seine Bücher, er schreibt sie nicht selbst. Er ist Legastheniker und es wäre eine Qual für ihn ein solches Buch selbst schreiben zu müssen. Zur Leseschwäche, er kann durchaus lesen er hat nur das Problem das er nicht mehr als 3 Seiten auf einmal lesen kann da er dann automatisch wegschläft. So das wollte ich mal los werden bevor noch weiter darüber dummes Zeug geredet wird.
Big fan of the best cook from the world
Steffi xxx ;-)
@Steffi: Nun ja, "dummes Zeug" habe ich hier nicht verbreitet. Jamie Oliver hat selbst gesagt, er habe eine Leseschwäche. Das heißt - wie auch bei anderen Leute - dass er Probleme mit dem Lesen hat, aber durchaus lesen kann. Könnte er das nicht, wäre er ein Analphabet. Und ich habe hier auch nur "Leseschwäche" geschrieben, weil er es so gesagt hat. Leseschwäche geht in der Tat meistens auch mit Rechtschreibschwäche einher.
Woher stammt der Hinweis, dass er seine Bücher diktiert? Würde mich sehr interessieren!
Sehr gute Buchrezension, trifft den Punkt genau.
Habe das Buch auch erworben und gerade heute das Rezept "Gratinierte Champignons mit Ziegenkäse und Pinienkerne" nachgekocht. Tolles Rezept übrigens.
Claudia, an dieser Stelle, grosses Lob für deinen sehr informativen Blog und die vielen interessanten und ausführlichen Beiträge.
Liebe Grüsse
Ich habe mir die Sendung heute zum ersten Mal angesehen und finde Frau Polettos Art den Moderator zum Küchengehilfen zu degradieren daneben. Diese Sterneköchin denkt wohl, sie ist auch eine Sternemoderatorin. Sie ist sowas von oben herab und benimmt sich wie in ihrer eigenen Restaurant Küche, wo sie wahrscheinlich die ganze Küchenmannschaft immer auf diese schnodrige Art runtermacht, nur im Fernsehen schaut das nicht gut aus und zeigt auch das niedrige Niveau der Köchin.
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