Ballymaloe Cookery School: Woche 1, Tag 1 & 2
Von Claudia am Apr 22, 2010 | In News, Alltagsküche, Landleben
Die ersten 2 "richtigen" in der Ballymaloe Cookery School in Irland waren anstrengend: alles ist neu und wie alle anderen Schüler hier, musste ich mich erst einmal orientieren.
Die Schulwoche hier glieder sich so: Morgens wird gekocht, mittags wird das Gekochte aufgetischt. Wir sind kleine Gruppen eingeteilt, die jede Woche wechseln. Jeder hat einen Kochpartner, auch der wechselt wöchentlich. Meine Gruppe besteht diese Woche aus ingesamt 6 Leuten. Wir kochen in der Demo-Küche.
Nach dem Mittagessen und einer kurzen Pause geht es mit den Koch-Demonstrationen von 13:45 Uhr bis 17 Uhr weiter. Den Anfang machte die Grande-Dame der irischen Küche, Darina Allen, selbst. Bei den Kochdemonstrationen werden diverse Techniken gezeigt und Gerichte gekocht, die die Kochschüler am nächsten Tag nachkochen. Wir haben einen Berg Unterlagen bekommen und verfolgen die Rezepte auf unseren Zetteln, machen fleißig Notizen. Das ist gar nicht so einfach, denn die Stühle sind so unbequem und der Nachmittag als Zeit des physiologischen Tagestiefs denkbar ungeeignet. Schöner wäre Mittagsschlaf oder ein ausgedehnter Spaziergang. Mit Streichhölzern für die Augen könnte man hier ein echtes Geschäft machen - da kann die Demonstration noch so interessant sein.
Hellwach sind hingegen alle, wenn sich die Demonstration dem Ende zuneigt und die gekochten Leckereien verteilt werden.
Heute war der erste Tag mit Rory O'Connell, dem Bruder von Darina Allen, der in vielen guten Restaurants gearbeitet hat: Unter anderem bei Raymond Blanc und bei Alice Waters im Chez Panisse. Dass er auch als Food-Stylist arbeitet, davon konnten wir uns auch überzeugen. Sehr schnell richtete er die einfachsten Dinge präsentierbar an - davon erhoffe ich mir viel Inspiration.
Es werden täglich unglaublich viele unterschiedliche Gerichte zubereitet: Heute wurde Marmelade (Raspberry Jam) gekocht, Orangenschale kandiert, eine Schokoladen-Haselnuss-Tarte, ein Rhabarber-Pie und ein Schoko-Kekskuchen gebacken. Außerdem: Ziegenkäsesalat mit Granatapfelkerne, Walnüssen und einer Zitronenvinaigrette. Der Ziegenkäse kommt nicht weit von Cork. Die Produzentin hat uns vorher kurz die Geschichte erzählt, wie sie zum Käsemachen kam.
Abends muss man den nächsten Tag vorbereiten: Man schaut sich die Gerichte an, die man machen wird und schreibt die einzelnen Arbeitsschritte und den Zeitaufwand dafür auf. Das wird morgens vom Lehrer kontrolliert. Zusätzlich haben wir alle mehrseitige Listen mit Fertigkeiten, die wir im Laufe der Zeit erwerben und vorzeigen können müssen. Alles, was man am Vormittag geschafft hat, wird vom Lehrer auf der Liste abgehakt. Außerdem haben die Lehrer noch eigene Listen, auf denen Sie Noten vergeben.
Ich habe heute einen Mürbeteig vergeigt: Wir wurden gebeten, uns an die Rezepte zu halten. Also habe ich den Mürbeteig mit einem Eigelb zubereitet, so, wie es im Rezept stand. Wir sollten ihn aber mit einem ganzen Ei zubereiten. Leider war mein Teig schon fertig, als ich das erfuhr. Dumm gelaufen, weil ich so noch einmal ran durfte. Zum Trost sagte mir die Lehrerin dann aber, dass die Leute mit Vorwissen anfangs die meisten Fehler machten und sie sich sicher sei, dass - hätte sie mich alleingelassen - ich sicher ein gutes Ergebnis erzielt hätte. Am Geschmack, Textur und der Präsentation meiner Gruyere-Dill-Tarte hatte sich dann überhaupt nichts auszusetzen. "Delicious" war ihr Urteil, während die anderen Tartes geschmacklich und von der Textur nicht 100%ig Gnade vor ihr fanden.
Die Schwierigkeit besteht zurzeit noch darin, alle möglichen Zutaten zusammenzusuchen. Wo sind die Muskatnüsse? Plain Flour ist das gleiche wie Cream Flour, aber nur Cream Flour steht auf der riesigen Tüte. Wohin mit dem Eiweiß, das übrig ist? Wo ist Frischhaltefolie? Zwischendurch wäscht man die Berge von Schüsseln und Messbecher, Rührbesen und Brettern ab. Zwar sind alle Rezepte in Ounces, Gramm und Cups angegeben, doch die Lehrer sprechen oft von Ounces. Das erstaunlichste für mich an spezifisch irischen Angaben: Steht im Rezept Butter, dass ist IMMER gesalzene gemeint. Ungesalzene Butter bekommt man nicht überall. Eine Irin erzählt mir ganz angewidert, dass sie beim Frühstück in Frankreich einmal ungesalzene Butter unter ihrer Marmelade hatte. Hat sie natürlich gleich mit einer Prise Salz ausgeglichen, aber das war natürlich nicht das Gleiche ... So wird eben auch der Mürbeteig selbstverständlich mit gesalzener Butter zubereitet. Wenn ich später einmal Rezepte in Deutschland nachkoche, muss ich extra Salz hinzurechnen.
Insgesamt müssen hier alle, die schon Vorkenntnisse haben, einen Schritt zurücktreten und neugierig sein. Vieles, was man bislang "SO" gemacht hat, wird hier eben anders von einem erwartet. Bei den vielen unterschiedlichen Menschen, die hierherkommen nicht verwunderlich: Ein Kochschüler fragte heute beim Pastakochen, ob man nicht etwas Essig ins Wasser geben könnte, damit die Nudeln nicht zusammenkleben. Kommentar von Rory O'Connell: "Wenn man Essig ins Nudelwasser gibt, schmecken die Nudeln nach Essig." Als Manöverkritik zu meiner Tarte meinte ich: Man könnte den Rand auch noch mit Eigelb-Wasser-Mischung bestreichen, das würde schöner und appetitlicher aussehen. Antwort der Lehrerin: "Das kannst Du da machen, wo Du herkommst, wir machen das erst einmal so." Wie sagte Darina Allen zu Beginn so schön: "Hört ruhig auf das, was ich sage. Ihr bezahlt mir wahnsinnig viel Geld dafür."
Schönstes Kompliment heute: Ich habe zusätzlich zu meinem Pensum "Fork Biscuits" gebacken. Einfach Mürbekekse, die mit der Gabel flach gedrückt und nach dem Backen in Vanillezucker gewendet werden. Ich habe ein zusätzliches Muster in die Kekse gedrückt und hatte insgesamt recht einheitliche Kekse. Urteil: "You missed your vocation! You're my baker. I can see that already on the second day." Für die Kekse habe ich eine 5+ bekommen. Das Notensystem geht bis 6 für die beste Note. Eine Engländerin kommentierte: Die vergeben am 2. Tag doch noch keine 6. Ich komme mir wirklich wieder vor wie auf der Schülerseite. Ob die hier auch Fleißbildchen und Stempel für Schönschrift vergeben? Ich bin gespannt ;)
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Bericht aus Woche 2, Teil 1
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Irish Breakfast
Bericht aus Woche 6
Bericht aus Woche 8
Bericht aus Woche 9
Bericht aus Woche 10
Bericht aus Woche 11 & 12Rezepte aus der Ballymaloe Cookery School
Orangen-Butter-Scones
Rhabarber-Kompott
Glutenfreie Muffins mit Himbeeren
Glutenfreie Scones
Französische Apfeltarte
Irisches Frühstück
Frittierte Schollenfilets - GoujonsBücher zur Ballymaloe Cookery School und zur irischen Küche
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Ballymaloe Bread Book
Forgotten Skills of Cooking (eines meiner Lieblingsbücher - mit allem, was man in der Küche selbst machen kann)
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Irish Traditional Cooking: Over 300 Recipes from Ireland's Heritage
10 Kommentare
Oh my god. Well, stay calm. Das hoert sich ja nach "echter" Schule an. Wie frueher im Gymi. Hast dich ja tapfer geschlagen mit Deiner 5+, Congratulations! Morgen bekommst Du dann ein sparkly Bildchen dazu (Just kidding).
Schöner Bericht, ich bin schon gespannt auf die Fortsetzung! Scheint aber doch recht anstrengend zu sein.
Ich bin ganz begeistert über dein Projekt!
Toll das Du das machst und uns teilhaben lässt, danke! Gabi
Das klingt nach einer schönen und überaus lehrreichen Erfahrung. Wenn du schreibst "Ihr bezahlt mir wahnsinnig viel Geld dafür.", wieviel kostet dich diese Fortbildung alles zusammen?
danke für die detaillierten einblicke und schön, wenn du das über die 12 wochen fortsetzen kannst (wird nicht immer gelingen, nehme ich an).
dass es dort so heftig losgeht, ist ein gutes zeichen: kein wischiwaschi und wir haben und eh alle so lieb, sondern harte arbeit in der küche (so ist das nun mal im wirklichen küchenleben auch). wer sowas ohne kratzer durchsteht, ist fit für die gastronomie.
(ich weiß ehrlich nicht, ob ich mir so etwas nochmal antun würde - genau wegen der schulischen hierarchie und leistungsbeurteilung, das haben erwachsene menschen, die das freiwillig machen, eigentlich nicht nötig. ich muss es mir aber eh nicht antun, habe den job ja gelernt. allerdings würde es mich sehr wohl reizen, die eine oder andere fertigkeit wieder zu üben oder zu perfektionieren.)
Schöner Bericht, vielen Dank! Kann man denn keine 10 Minuten für ein kurzes Mittagsschläfchen abzwacken? Das erinnert doch sehr an lange Nachmittage in der Schule, wo sich die Stunden dahinzogen.
Als Fleißbildchen solltest du Fotos machen, die du uns stolz präsentieren kannst. ;-)
Weiterhin viel Spaß und gutes Gelingen!
@My Kitchen in the Rockies: Kein sparkly Bildchen heute, nur Vorlesung ;)
@Cascabel: Dass es kein reines Zuckerschlecken wird, habe ich ja gewußt. Ich will ja lernen.
@speedy: Mach' ich gern!
@Margit: Ich mag nicht drüber nachdenken, wieviel das alles in allem ist. Aber zumindest kann ich es absetzen - was wiederum nur etwas bringt, wenn ich anschließend wahnsinnig viel Geld verdiene ;)
@Katha: Sei froh, dass Du das in jüngeren Jahren gemacht hast. Als Erwachsener ist es schon sehr merkwürdig - besonders für mich mit Lehrerfahrung - hier die Küche zu putzen, die ich gar nicht dreckig gemacht habe. In der Rotation muss jeder ab und an die Demo-Küche hinterher säubern.
@Inga: Ich hatte heute durchaus Mittag, aber musste auch die Suppe servieren und hinterher aufräumen und die Tische für morgen eindecken. Da war noch nicht mal Zeit für ein paar Schritte im Freien. Das nervt mich schon sehr, zumal es einen freundlichen Anschiss gibt, wenn man zu spät kommt.
@
Hi Claudia,
Glückwunsch zu Deinem Erfolg. Folgt der Kurs denn einer erkennbaren Systematik?
Hi Oliver,
nein, der Kurs folgt bislang keiner Systematik - hier ist alles etwas anders. Es soll ja jeden Tag für alle ein Starter, ein Hauptgericht und ein paar Desserts da sein. Morgen mache ich beispielsweise einen Salat, koche Marmelade und mache Scones, backe Brot, etc.
Es sind anfangs aber keine allzu schweren Gerichte. Und natürlich recht viel Irisches - am Backen eines Soda Breads kommt man hier nicht drumrum ;)
Nun habe ich den Bericht schon zum zweiten Mal verschlungen und mir die Frage gestellt, ob du bei den ganzen Leckereien dein Gewicht halten kannst.
Wenn ich das Pensum sehe, wird mir ganz anders. Dein Tag hat doch auch nur 24 Stunden, oder?
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