Hefeteig
Von Claudia am Sep 6, 2009 | In Brot & Brötchen, Tipps & Tricks, Lexikon, Hefeteig
Hefeteig ist keine Hexerei! Und doch trauen sich viele nicht an ihn ran, setzen auf Fertigmischungen oder gar auf eine Hefeteighilfe, bei der das lange Gehen fast entfällt und die zusätzlich zur Trockenhefe auch noch Backpulver enthält. Lassen Sie die Finger von chemischen Hilfsmitteln! Hefeteig ist gar nicht so schlimm.
Hefeteig ist einer der vielseitigsten Teige in den Backstuben der Welt. Der einfachste Hefeteig besteht nur aus Mehl, Salz, Wasser und Hefe. Allein mit dieser Kombination lässt sich schon viel anfangen: Pizza, Flammkuchen, Calzone, Knabbergebäck, Baguette, Ciabatta, einfache Fladenbrote und vieles mehr.
Aber was macht die Hefe mit dem Mehl? Bäckerhefe besteht - wie der Name schon sagt - aus "Hefen", also Pilze. Bei Temperaturen von 25-35° C und genügend Feuchtigkeit (=Flüssigkeit) vermehren sich diese Pilze und verstoffwechseln Glucose (entweder aus Zucker oder aus dem Mehl herausgespalten) zu Kohlendioxid (CO2) und Alkohol. Beim Vergären zu Bier oder Wein entkommt das CO2 und Alkohol reichert sich an. Beim Backen bleiben sowohl Alkohol als auch CO2 im Teig gefangen und verflüchtigen sich erst beim Backen. Das Ansteigen des CO2-Gehalts kann man schön beobachten, weil ein Hefeteig während seiner Ruhezeit "geht". Das produzierte CO2 füllt den Teig mit Bläschen, die den Teig voluminös aufgehen lassen. Wohl jeder Hobbybäcker hat nun schon einmal das Phänomen beobachtet, dass der Teig nun so gar nicht gehen will und seine ursprüngliche Größe stoisch beibehält. Wie kann das sein? Das kann mehrere Ursachen haben: Zum einen mögen die Pilze keine kühlen Temperaturen, dann vermehren sie sich nicht so schnell oder stellen die Fortpflanzung ganz ein. Richtige Hitze vertragen die Hefen aber auch nicht: Ab ca. 40° C fangen Eiweiße an zu denaturieren - die Pilze sterben langsam ab. Auch ein Zuviel an Salz kann das Wachstum der Hefen verlangsamen und behindern. Direkter Kontakt zu zu viel Fett unterbindet das Wachstum ebenfalls, weil das Fett den Wasserzustrom unterbindet.
Aus diesen Gründen gibt es einige Tipps und Tricks bei der Herstellung von Hefeteig:
1. Hefeteig wird immer abgedeckt, wenn man ihn gehen lässt, damit der Teig nicht austrocknet. Hefepilze mögen es feucht!
2. Man lässt den Hefeteig idealerweise an einem warmen Ort gehen: Das kann im Winter in Heizungsnähe sein, auf einer Espressomaschine mit Wärmplatte, ein Dampfgarer, den man auf 30° C stellt oder auch ein Backofen, den man auf 50° C vorgeheizt hat, dann ausstellt und den Hefeteig bei leich geöffneter Ofentür drin gehen lässt. Die Raumtemperatur ist übrigens auch dafür verantwortlich, dass Hefeteig im Sommer meist besser und schneller aufgehen. Im Winter ist der Hefeteig meist genauso träge wie wir Menschen - da muss man ihm schon ein wenig Wärme-Komfort bieten.
3. Bei Brotteigen, die häufig eine größere Menge Salz benötigen, gibt man das Salz erst nach einem ersten, meist 15-minütigen, Gehen hinzu. Da Salz die Fortpflanzung der Hefepilze verhindert bzw. verlangsamt, gibt man den Hefen einen kleinen Zeitvorsprung.
4. Hefeteig muss gehen, keine Frage. Sich aber stoisch an eine genaue Zeitangabe zu halten, ist Unsinn. Ein Hefeteig verhält sich im Winter anders als im Sommer. Deshalb findet sich häufig die Angabe: "Gehen lassen bis sich das Teigvolumen verdoppelt hat." Hefeteig ist etwas Lebendiges, also von Zeit zu Zeit einmal einen Blick drauf werfen, wenn Sie noch unerfahren sind. Ist Ihr Hefeteig schön aufgegangen, dann aber ganz plötzlich in sich zusammengesunken? Dann ist er zu lange gegangen. Bevor Sie so einen kollabierten Teig verwenden können, sollten Sie ihn einmal gut durckkneten und dann nochmals gehen lassen. Aber keine Angst, Hefeteige neigen meist nicht dazu, innerhalb kürzester Zeit zu kollabieren. Wenn Sie den Teig nach dem Gehen doch nicht verwenden können, kann man ihn immer noch über Nacht in den Kühlschrank stellen. Auch wenn die Hefepilze ihre Fortpflanzung verlangsamen, ganz unterbinden lässt es sich nicht. Deshalb dem Hefeteig auch im Kühlschrank ein etwas größeres Gefäß gönnen, damit er nicht entwischt.
5. Das Ruhen im Kühlschrank führt, wie bereits erwähnt, dazu, dass die Hefen Ihre Vermehrung verlangsamen. Es entstehen so eher kleine CO2-Bläschen, der fertige Teig hat dann eine feinporigere Konsistenz.
6. Dass Hefepilze Kälte nicht mögen, habe ich bereits erwähnt. Man sollte deshalb darauf achten, dass beim Backen alle Zutaten Zimmertemperatur haben. Häufig wird außerdem lauwarmes Wasser oder leicht erwärmte Milch genommen.
7. Hefeteige funktionieren nur mit Weizenmehlen. Je nach Eiweißgehalt beeinflusst auch das Mehl das Verhalten der Hefe. Sie können probieren, ob Ihr Kuchen, Hefezopf oder ähnliches mit Mehl vom Typ 405 genauso wird wie mit Mehl Typ 550 oder mit einem italienischen 00-Mehl.
8. Hefepilze ernähren sich von Zucker. In einem Teig ohne Zucker kommen ihnen Enzyme zu Hilfe, die Stärkekügelchen aufbrechen. Um die Tätigkeit der Hefe anzukurbeln, können Sie natürlich auch Zucker zum Teig geben. Es reichen schon kleine Mengen. Geben Sie einmal einen Teelöffel Zucker über einen Würfel Frischhefe: Die Hefe wird sich nach einiger Zeit auflösen und verflüssigen.
9. Je mehr Zeit Sie einem Hefeteig lassen, desto weniger Hefe benötigt man. Das berühmte No-Knead-Bread kommt mit ganz wenig Hefe aus. Dafür wird der Teig aber über einen langen Zeitraum "geführt", wie die Bäcker das nennen. Das sind gut und gerne mal 20 Stunden und mehr!
10. Wieviel Hefe benötigt man für einen normalen Hefeteig? Faustregel ist häufig 1 Würfel Frischhefe(ca. 40 g) auf 500 g Mehl. Das ist mir meist zu viel, es sei denn, der Teig enthält viel Fett und ist besonders schwer. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass beispielsweise ein Pflaumenkuchen mit wenig Fett auch mit wenig Hefe auskommt: 1/2 Würfel Frischhefe auf 400-500 g Mehl.
11. Frischhefe oder Trockenhefe? Keine Frage, am besten backt es sich mit frischer Hefe. In Deutschland ist das meist kein Problem. Supermärkte führen meist frische Hefe im Kühlregal (bei den Milchprodukten). Wie konvertiert man die Menge an Frischhefe in Trockenhefe? Ein Päckchen Trockenhefe wiegt - wie ich es nachgewogen habe - 6 g, das sind in Teelöffeln gemessen 2 Teelöffel (mit richtigen Messlöffeln gemessen!). Am einfachsten sind dann Hefeteigrezepte, die einen Würfel Hefe vorgeben: Dann nimmt man 2 Päckchen Trockenhefe oder 4 Teelöffel. Werden 20 g Hefe verwendet, nimmt man 6 g oder 2 Teelöffel Trockenhefe (=1 Paket Trockenhefe). 1 Würfel frischer Hefe entspricht 2 Tüten mit Trockenhefe (bzw. Instanthefe).
UPDATE:
Achtung! Letzte Einkäufe bei unterschiedlichen Herstellern führen unterschiedliche Ergebnisse zu Tage: Meine Trockenhefe war für einen Würfel Hefe gedacht. Es ist aber wohl recht unterschiedlich, was in einer Tüte Trockenhefe ist. Bei Alnatura sah ich Trockenhefe: 9 g entspricht einem HALBEN Würfel Hefe.
Ich nehme Trockenhefe meist aus einem kleinen Döschen - keine Angabe, welches Verhälntis zur Frischhefe. Ein Aldi-Päckchen - leider ohne die Pappverpackung - ist meiner Erinnerung nach 1/2 Würfel Frischhefe - und wiegt immer noch 6 g - das Päckchen von Lidl trägt die Aufschrift 7 g - und soll 25 g frischer Hefe entsprechen. Das wäre dann wieder etwas mehr als nur ein halber Würfel ... Beim Umrechnen sollte man also unbedingt die Hersteller Angabe durchlesen - Trockenhefe ist nicht gleich Trockenhefe. Auch mit der Angabe "Menge Frischhefe" = "halbe Menge Trockenhefe" (u.a. von dem "Kochchemiker" Harold McGee) kommt man so nicht weiter. Wenn ich die Angaben von Alnatura (9 g) und Lidl (7 g) vergleiche, muss man zu dem Schluss kommen, dass bei Lidl 22% weniger Trockenhefe im Päckchen ist. Ein nicht unerheblicher Unterschied.
Hier eine kleine Auflistung mit umgerechneten Hefe-Mengen mit "meiner" Trockenhefe:
40 g (1 Würfel) Frischhefe = ca. 16 g Trockenhefe = ca. 5 TL
20 g (1/2 Würfel) Frischhefe = ca. 8 g Trockenhefe = 2,5 TL (oder ein Päckchen Trockenhefe, auch wenn da steht "entspricht 25 g)
10 g (1/4 Würfel) Frischhefe = ca. 4 g Trockenhefe = 1 + 1/4 TL
12. Die Verwendung von Trockenhefe unterscheidet sich von Verwendung von Frischhefe. Trockenhefe (=Instanthefe in Deutschland) kann einfach zum Mehl gegeben werden, frische Hefe muss zunächst aufgelöst werden. Das kann man in lauwarmer Milch machen, bei Brotteigen meist in lauwarmem Wasser. Ich habe früher gelernt, dass man frische Hefe immer in Zucker auflöst. Kann man so machen, ist aber nicht unbedingt notwendig. Viele Wege führen nach Rom!
13. Warum muss man einen Hefeteig eigentlich kneten, damit er schön porös wird und gut aufgeht? Das ist eine Spezialität des Hefeteiges: Durch das Kneten stärkt man die Bildung von Glutensträngen, ein Geflecht aus Eiweißsträngen. Diese verleihen dem Teig - sehr verkürzt ausgedrückt - seine Elastizität und bilden das Gerüst für die vielen kleinen Gasbläschen, die von den Hefepilzen gefüllt werden. Deshalb knetet man den Teig und schneidet ihn nicht etwa. Wenn man den schön aufgegangenen Teig mit herrlichem Glutengerüst teilen muss, lässt man die neuen Einzelteile meist auch etwas "entspannen", denn beim Auseinanderschneiden oder -ziehen zerstört man unweigerlich die elastizitätspendenden Eiweißstränge. Aufpassen muss man aus deshalb auch, wenn man einen Hefeteig in der Küchenmaschine kneten lässt. Zwar müssen manche Teige etwas länger geknetet werden, aber es besteht auch die Gefahr, dass man zu viel geknetet hat und das Glutengerüst nimmt irreparablen Schaden. Beim Kneten von Hand ist ein Überkneten fast nicht möglich. Eher machen die Handgelenke schlapp ...
14. Das ist jetzt nichts Esoterisches: Ich meine, dass man seinen Hefeteig ruhig von Hand kneten kann - mal abgesehen von schweren Stollenteigen oder Brotteigen, die aufgrund des hohen Flüssigkeitanteils (hohe Hydration!) nicht knetbar sind. Teigkneten vermittelt ein Gefühl für den Teig und ist auf jeden Fall eine sinnliche Erfahrung. Man kann regelrecht Liebe in einen Teig hineinkneten - oder aber auch aufgestaute Aggressionen an ihm auslassen. Das nimmt der Hefeteig nicht übel.
Das war jetzt viel Theorie, aber Sie sehen, dass Hefeteig keine Hexerei ist. Im Grunde ist ein Hefeteig ganz einfach herzustellen, wenn man ein paar Dinge beachtet - das steht aber auch in den meisten Rezepten drin.
Artikel zum Unterschied zwischen "instant yeast" und "active dry yeast"
Rezepte mit und für verschiedenen Hefeteigen
Pflaumenkuchen mit Kokos
Buchteln mit Vanilleschaum
Ein ganz einfacher Hefeteig für Flammkuchen
Kaisersemmeln
Pizzateig für eine Pizza mit roten Zwiebeln, Speck und Ricotta
Baguette nach Julia Child
Figürliches Backen: Süßes Osterlamm
Schwerer Hefeteig: Mohnstollen
Tolle Baguette: Parisian Daily Bread
Oliven-Foccaccia
Hokkaido-Milchbrot, mein absolutes Lieblings-Hefebrot
Panettone
Berliner Pfannkuchen
Mohnzopf
Pain à l'ancienne
Butterkuchen
Hefekuchen mit Früchten
Ein echtes Schwergewicht unter den Hefeteigen: Christstollen
Backobst mit Hefeklößen
7 Kommentare
Hallo Claudia,
bisher habe ich auch immer eine Fertigmischung verwendet, da ich mich nicht getraut habe, einen Hefeteig selbst zu machen. Ich habe immer geglaubt, dass man da so viel falsch machen kann ... da kam mir die Fertigmischung dann gerade recht.
Da ich nun aber deine Tipps gelesen habe, denke ich, dass auch mir ein Hefeteig gelingen würde. ;-)
Ich werde es beim nächsten mal jedenfalls ausprobieren. Kann ich mich wieder bei dir melden, wenn dabei unerwartete Probleme auftreten?
Schöne Zusammenfassung.
Was ich immer nicht verstehe ist: Wieso lässt man einen Teig gehen, knetet ihn dann aber wieder zusammen, um ihn ggfs. nochmal gehen zu lassen?
Was bewirkt das?
Meine Dinkelpizza funktioniert auch mit Hefe und völlig ohne Weizenmehl. Ist natürlich nicht so fluffig wie ein Weizenhefeteig, aber er geht trotzdem auf. Mit Hefe kann man wahrscheinlich ein Leben lang forschen.
In den alten Rezepten meiner Oma schreibt sie immer "für 7 Pfennig Hefe". In der Nachkriegszeit muss der Hefepreis also recht lange stabil gewesen sein.
Und Deinen Rat, eine genügend große Schüssel zu nehmen kann ich nur unterstreichen, seit mir ein auf der Heizung stehender Hefeteig (auch noch mit Safran gefärbt) die Gardine hoch geklettert ist.
Super, endlich jemand, der den Finger hebt, wenn es um Fertigteig o.ä. geht.
Ich mache meinen Hefeteig immer selbst und habe noch nie Probleme mit dem gehen des Teiches gehabt.
Gruß, die Erdbeere
habe mich auch nie so richtig an selbst-gebackenen Hefeteig getraut,Dank Deiner
hilfreichen Tipps,habe ich sogar einen
Stollen gebacken und ist mir sehr gut gelungen.
auch das kneten habe ich mir zu Herzen genommen.
Vielen Dank für diese hilfreichne Tipps
Ich habe einen Hefeteig gemacht, der offensichtlich zu lange gegangen ist. Der fertige Hefezopf hat komisch geschmeckt. Wie kann ich das verhindern? Wann ist es genug? Ab wann ist der Teig "übergangen"?
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