Ballymaloe Cookery School: Woche 2, Tag 1 bis 3
Von Claudia am Apr 29, 2010 | In News, Landleben, Kochschulen
Ich hatte mir das ja recht locker vorgestellt an der Ballymaloe Cookery School, doch das mit dem 9 to 5 war wohl eher Wunschdenken ...
Unser Tag sieht zwar vor, dass von 9-12 gekocht wird und man dann gemeinsam isst. Dann geht die Koch-Demo um 13:45 Uhr weiter, sodass man wenigstens eine kleine Pause hat. Aber: Die Schule gibt diverse "Duties", sprich Pflichtarbeiten vor. Die hängen für die gesamte Woche im Voraus aus. Montag hatte ich keine Duty. Gestern war absoluter Horror: Um 8 Uhr morgens hatte ich Herb-Duty, d.h. ich durfte Kräuter pflücken. Weil ich nicht wußte, ob ich dann mit meinem Kochpensum durchkomme, war ich schon gegen 7:45 Uhr in der Küche, um meine Zutaten zusammenzusuchen. Das finde ich entspannter, als wenn sich mehrere Leute um die Waagen drängeln und alle noch herausfinden müssen, wo sich welche Zutaten verstecken.
Das Kochen ist fast NIE um 12 Uhr beendet, auch wenn ich schon denke, dass man das schaffen kann. Ich war eigentlich gegen 11:30 Uhr fertig. Dementsprechend fängt das Mittagessen später statt. Ich hatte außerdem auch Lunch-Duty, d.h. ich war für das Servieren der Vorspeise zuständig. Diesmal diverse Cocktails mit Grapefruit und Granatapfelkernen - wirklich ein Knaller als Vorspeise, darüber werde ich separat berichten. Nach dem Essen muss man dann den Tisch neu decken und Bestecke abtrocknen. Somit verpasste ich schon mal die Öffnungszeit der Bibliothek, die dienstags und donnerstag von 13:15 bis 13:45 Uhr geöffnet hat. Wir waren mit der Lunch-Duty noch nicht ganz fertig, als die Vorlesung am Nachmittag um 13:45 begann. Die Kochdemo ging bis 17 Uhr, dann verkosten die Kochschüler alles. Dummerweise hatte ich dann noch "After-Demo"-Duty und musste den Vorratraum aufräumen, Müll wegbringen und fegen (und natürlich beim Abtrocknen helfen). Dazu muss man allerdings sagen, dass die Festangestellten natürlich ebenfalls mit anpacken und auch bei den Duties behilflich sind. Die sind nicht aus der Ruhe zu bringen. Fertig waren wir mit Saubermachen um 17:45 Uhr. Ausnahmsweise gab es dann noch eine obligatorische Vorlesung um 18:15 Uhr zur Einstimmung auf die Champagner-Präsentation von Bollinger. Im Anschluss ein kleiner irischer Film über den Wahnsinn der Käfighaltung von Hühnern. Alles nichts Neues, aber natürlich war auch der Film obligatorisch.
Das dauerte bis 19:15 Uhr und um 20 Uhr begann schon im Rathaus (bzw. was man so nennt) eine Versammlung der lokalen "Grow it yourself"-Vereinigung. Dort zu Erscheinen schien schon fast Pflicht. Das war leider kein lockeres Zusammentreffen, sondern begann mit einem Vortrag eines älteren Iren mit starkem Akzent. Um 22 Uhr war ich wieder zu Hause. Vielleicht haben Sie es bemerkt: Das Abendessen fiel flach, ich habe mich mit einer Banane getröstet. Heute morgen war ich früh auf, weil mittwochs der Tag ist, an dem ich die Waschmaschinen in der Wäscherei benutzen darf. Damit wollte ich ja vor 9 Uhr fertig sein.
Heute - wie in den nächsten Wochen immer mittwochs - war Vorlesungstag, nachmittags immer Wein als Thema. Weil heute die Bollinger-Präsentation war, war die Weinvorlesung kürzer. Die fehlenden 2 Stunden werden irgendwann abends nachgeholt. Die Weinvorlesungen finde ich weniger spannend, weil ich mich mit dem Thema schon beschäftigt habe und - abgesehen von der Weinpraxis - zumindest theoretisch den gleichen Zertifikatsstand habe wie der Wein-Lehrer. Kann ja aber nicht schaden, sich die Basics noch einmal anzuhören.
Die Werbeveranstaltung von Bollinger war recht interessant. Den Ratschlag Rosé-Champagner zu kaltem Lachs zu trinken, würde ich nicht unbedingt befolgen. Den Special Cuvée nicht zum Essen, sondern bei einem Tasting zu trinken, finde ich hingegen sehr weise.
Morgen früh bin ich beim Melken der 2 Jersey-Kühe zugegen. Es heißt zwar vollmundig, man würde melken lernen, aber das ist so nicht ganz richtig: Zum einen werden die Kühe nicht von Hand gemolken, zum anderen bedient man auch die Melkmaschine nicht selbst. Das ganze startet übrigens um 7:30 - die Kühe hier schlafen lange ;)
Morgen habe ich dann auch wieder irgendeine Duty. Die Duties gehen von Fond-Kochen am morgen, Salat für den Mittagstisch vorbereiten, Limonade machen, Brot backen (Soda-Bread!) und, und, und.
Mich stressen die ganzen Putz- und Servier-Duties hier mehr als das Kochen selbst oder die Kochduties - besonders dann, wenn eben nicht nur Kochschüler zu mittag essen, sondern auch noch irgendwelche externen Gäste. Aber so ziemlich alle älteren Schüler finden sich nur schwer mit diesen Duties ab, bei denen es nicht ums Kochen geht. Wer einigermaßen organisiert ist, sollte sein Pensum in der Küche recht zügig abarbeiten können. Schließlich schreibt man am Vorabend ja immer minutiös die einzelnen Schritte der zu kochenden Rezepte als Hausaufgabe auf ("work order"). Die muss man morgens vorlegen, die Bögen werden dann abgesegnet. Auf einem der Bilder sehen Sie meine aktuelle Station mit aufgehängtem Rezept und der Work Order.
So, vor lauter Beschreibung, was man hier so alles nebenbei machen muss, habe ich fast vergessen, Ihnen zu erzählen, was ich gekocht habe am Montag und Dienstag: Montag war Mexico-Tag (bzw. das was man für Mexiko hält): Ich habe Guacamole zubereitet und zwar im Mörser. Mache ich nicht wieder. Mir ist die Gabel für eine feine Avocadocreme wesentlich lieber. Dazu gab es Quesadillas, gefüllte Tortillas: Dazu habe ich Tortillas gebacken, die dann mit einer Mischung aus Cheddar und Mozzarella, Frühlingszwiebeln und Chili belegt wurden. Ein zweiter Tortilla kam drauf und das ganze wurde in der Pfanne solange gebacken bis der Käse zerlaufen war. Sehr leckerer Snack. Dazu gab es Guacamole und Tomaten-Koriander-Salsa. Die Salsa hätte ich auch noch zubereitet, leider waren keine Tomaten mehr da.
Dienstag war Hühnerzerlegen dran. 1 Huhn für 2 Personen. Dazu wird hier das Filettiermesser genommen, mir wäre das Ausbeinmesser sympathischer gewesen, aber das füge ich mich eben, weil ohnehin kein Widerspruch geduldet wird. Ich finde, gerade beim Hühnerzerlegen ist es Geschmackssache, welches Messer man dazu lieber verwendet. Ich durfte dann die Brustfilets verarbeiten, und zwar zu Hühnerbrust in Estragon-Sahnesauce. Die Garmethode für mich war neu: Die Filets werden zunächst in Milch mariniert (hinterhger trockengetupft) und dann auf kleiner Flamme mit etwas Butter gedünstet. Dazu legt man auf die Filets dann eine Schicht Backpapier, so entweichen beim Öffnen des Deckels kaum Aromen. Die Sahnesauce wurde mit Mehlschwitze zubereitet - sehr 80er-Jahre. Ich habe dazu auch einen Vorrat an Mehlbutter zubereitet, der recht lange haltbar ist: Mehl und Butter zu gleichen Teilen kochen. Fertig. In der Demo gab es zu dem Estragon-Hühnchen die Basis, die auch für Tomatensauce verwendet wird. Das löste doch bei den erfahreneren Foodies doch einige Beklemmungen aus. Wir sind wahrscheinlich hier noch in der Home-Cooking-Phase. Was hier inzwischen fast jeder verinnerlicht hat: Auf fast jedes Dessert passt ein süßes Kräuterlein. Dass einige noch kein großes Kräuterwissen haben führte dann zu der kuriosen Situation, dass 2 Leute ihre Creme Caramel mit einem Stengel Petersilie dekorierten.
Morgen bereite ich die Spicy Chicken Drumsticks vor, die ich Dienstag mariniert habe. Dazu kommt noch ein Chocolate Fudge Pudding. Kann man sich als gebackene Mousse au chocolat vorstellen. Keine Zauberei. Mal schauen, ob ich frage, ob ich noch etwas außer der Reihe machen kann. Meine Kochtechnik-Liste soll schließlich abgehakt werden. Auf den 2 Seiten stehen diverse Kochtechniken von Zwiebelschneiden bis zu Fischfilettieren und Austern öffnen. Für alles hat man 3 Versuche: "First Attempt", "Improving" und "Good at it". Es ist unmöglich bei einem ersten Versuch ein "good at it" zu bekommen, auch wenn man die Höchstnote bekommen hat. Wahrscheinlich soll verhindert werden, dass jemand zufällig besonders gut war. Freitag gibt es in der Demo allerlei Dessserts - prima! Die werden dann nächsten Dienstag nachgekocht. Montag ist nämlich Bank Holiday, also Feiertag.
Mehr Berichte von der Ballymaloe Cookery School
Erste Eindrücke nach der Ankunft
Ballymaloe Cookery School - 1. Woche, Tag 1 & 2
Ballymaloe Cookery School - 2. Woche, Tag 1 bis 3
Bericht aus Woche 2, Teil 2
Bericht aus Woche 3
Bericht aus Woche 4
Irish Breakfast
Bericht aus Woche 5
Bericht aus Woche 6
Bericht aus Woche 7
Bericht aus Woche 8
Bericht aus Woche 9
Bericht aus Woche 10
Bericht aus Woche 11 & 12
Das Examen in der Ballymaloe Cookery SchoolRezepte aus der Ballymaloe Cookery School
Frittierte Schollenfilets - Goujons
Fork Biscuits
Französische Apfeltarte
Glutenfreie Scones
Seeteufel mit Paprika-Butter-Sahne-Sauce
Himbeersorbet
Salat mit geräuchertem Aal und Roter Bete
Zabaglione Semi Freddo mit italienischem Fruchtsalat - mein Examens-Dessert!
11 Kommentare
I like your work station. The Quesadilla recipe sounds great as well. I am sorry to hear that you have to spend so much of your free time with all these duties.
Your next days sounds very interesting, desserts. Looking forward to your updates.
I would love to be there as well.
Danke, für die schönen Berichte aus der Kochschule. Eine Frage, stört es dich nicht mit Anfängern zusammen zu kochen? Oder werdet ihr nach Kochwissen- bzw. Erfahrung aufgeteilt?
Claudia, der Text ist klasse geschrieben, so atemlos wie Euer Programm. Das ist ja wie Uni-Leben in der Dauer-Prüfung, bereichert um unausgesprochenen Pflicht-Social-Life-Treffen.
Die Duties gefallen mir (Ich hoffe, Deine Bankerkollegen sind beim Müll wegbringen besonders fleißig. :-))
Die Petersilien-Anekdote ist ein Knaller.
BITTE mehr!
Sie schreiben nur die Älteren haben Probleme mit den Duties...sind die Jüngeren unter euch denn williger? ;)
Das nenne ich aber wirklich mal ein straffes Programm. Aber von nix kommt nix... ;O)
Vielen Dank für die tollen Berichte!
Hühnchen zerlegen? So macht man das - in 18 Sekunden:
http://www.youtube.com/watch?v=sy6P3E84Dqs
@Kitchen in the Rockies: I'll definitely do Quesadilla again!
@zorra: Nein, wir werden jede Woche neu mit einem Kochpartner zusammengebracht. Mit dem muss man sich lediglich die Rezepte des Tages teilen. Aber eigentlich kocht jeder für sich - oder hilft auch mal anderen. Mich stört es nicht so, dass auch Anfänger dabei sind. Ich bin ja nicht der einzige Foodie hier, da findet man in der Freizeit schnell Gleichgesinnte und dann geht es hauptsächlich um die Themen Food, Kochbücher und Rezepte.
@Katharina: Ich denke, die Banker bekommen hier einen anderen Blick auf die Dinge ...
@berit: Die jüngeren sind noch viel mehr am In-der-Schule-Sein dran und müssen sich nicht so stark umgewöhnen. Für mich war es heute beispielsweise schon etwas komisch, dass mich Darina Allen bat, die Teller von Rachel Allens Mann wegzuräumen (wo doch sonst jeder sein Geschirr wegbringt ...), obwohl ich nur noch in den Ess-Saal gekommen war, um meine Sachen zu holen - nicht um mir die Order zu holen, bitte das Geschirr abzuräumen. Jüngere machen das sicher genauso ungern, nur nicht ganz so widerwillig ;) Ich habe ja auch als Lehrerin gearbeitet und bin da eher gewohnt gewesen, Schüler zu bitten etwas zu tun. Komme mir bisweilen vor wie der Schüler Pfeiffer in der Feuerzangenbowle ...
@Manu Ritter: Ja, das sage ich mir hier auch. Wer weiß, wozu die straffe Tagesplanung noch gut ist ...
@balu: Das war bei uns nicht ganz so amüsant, dafür konnte man die einzelnen Teile hinterher verwenden ;)
@claudia So unbrauchbar sind die Stücke von Martin Yan nicht. Er ist in den USA einer der bekanntesten Fernsehköche und macht diese Show auch z.B. in Kochschulen. :)
Wow, klingt spannend & aufregend! Crème Caramel mit Petersilie... okay, hätte ich auch nicht gewählt;-)
In der Tat, ein sehr eindrucksvoller Bericht! Klingt wirklich nach Arbeit.
Quesadillas liebe ich auch, ich habe gerade welche aus meinen restlichen selbst gemachten Tortillas gefertigt, BLT-Style. Die Füllungsmöglichkeiten sind ja unendlich :-)
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