Effilee - ein neues Food-Magazin
Von Claudia am Nov 9, 2008 | In News
Am Anfang waren die Kochpiraten (www.kochpiraten.de). Ein klares Konzept, wo es hingehen soll, gab es nicht, dafür wurde aber schon mal vorsorglich die eine oder andere Anzeige in dem (Print-)Wirtschaftsmagazin BrandEins geschaltet. Dann wurde aus den Kochpiraten die Internetseite "Effilee", kein Kunstwort, aber wohl den meisten Deutschen ohne tiefergehende Französischkenntnisse unverständlich. Und jetzt - tatahhh - "Effilee", das Food-Magazin. Für stolze 6,80 Euro am Kiosk. Sind die gut investiert?
Mein erster frotzelnder Eindruck: Hey, Lufthansa macht ein Magazin für den Kiosk. Mit dem orange-gelb, das beim Kranich-Konzern als strahlende Sonderfarbe daherkommt, bei "Effilee" aber leider nur in der gemischten - und deshalb etwas schmuddeligen - 4-farb-Mischung, haben sich die Verleger keinen Gefallen getan. Und das Logo - ein stilisiertes Kochmesser - sieht mit etwas Fantasie aus wie ein platt gemachter Vogel. Auch das Hintergrundgrau lässt in Verbindung mit dem Kranich-Gelb an Lufthansa-Farben denken. Aber die Farbe kann ja von Heft zu Heft wechseln - wer weiß ...
Im Vorwort räumt Vijay Sapre auch gleich eine Erwartung aus dem Weg: "Glauben Sie bloß nicht, dass dies hier ein Kochheft ist!" Nein, glaube ich auch nicht. Denn schon im Inhaltsverzeichnis springt mich ein Bild von Keksen an, das unglaublich unappetitlich ist.
In weiten Strecken empfinde ich das Heft beim ersten Durchblättern wie einen Versuch, sich BrandEins zu nähern - was nicht schlecht wäre, denn mit dem großartigen Wirtschaftsmagazin ist Gabriele Fischer - ehemals Manager Magazin - ein toller Gegenentwurf zu den landläufigen Wirtschaftsmagazinen gelungen. Damit setzte sie sich zur recht an die Spitze in dem Segment. Verwunderlich auch nicht, dass Peter Lau, BrandEins-Redakteur, konzeptionell bei Effilee beraten hat.
Nett ist die kleine Rubrik wie "Wie hast Du Dich verändert", wo 5 Butterkeksverpackungen der Marke Leibnitz gezeigt werden - von 1891 bis heute. Das "Pausenbrot" dadrüber finet ich sehr nett: Roastbeef-Kresseburger.
Protagonist einer Hauptgeschichte ist Herausger Sapre selbst. Er hat als Küchenjunge bei Heinz Wehmann im Landhaus Scherrer in Hamburg angeheuert und schildert seine Erlebnisse. Unterhaltsam, aber dass man sich als "Neuer" fast die Finger blutig schnibbelt und dies und jenes nicht gelingt - geschenkt und seit Bill Bufords "Hitze" auch nicht mehr ganz neu.
Restaurant-Besuch einmal anders: Auf 8 Seiten gibt es aktuelle Abendmode - fotografiert im Essigbrätlein in Nürnberg. Dass das Restaurant als Kulisse für die Fotos diente ist aber auch der einzige Food-Bezug der Fotostrecke. Ein mutiger Versuch - hätte vielleicht weniger steril ausgesehen, wenn es auch was zu essen gegeben hätte ;-) Mir erschließt sich nicht ganz der Sinn dieser Geschichte. Wie eine Modestrecke in einem Logistik-Magazin, bei der die Mode auf 'nem Container-Umschlagplatz aufgenommen wurde.
Und dann kommen - neben vereinzelten Tellergerichten, doch noch Rezepte: Die gut gemachte Strecke "Menü für Zwei" kommt mit Fotos daher, bei denen das Gericht nicht unbedingt im Mittelpunkt steht, und höchstens 10% des Bildes einnimmt. Die Rezepte: Klare Pilzsuppe, Fisch-Saté mit Grüner Chili-Salsa, Entenkeuel mit Kumquat-Sauce, gebackenen Roten Beten und Würz-Couscous. Zum Nachtisch: Ingwer-Creme brûlée mit Geeister Orangenlikörsauce. Hier wird nicht die Hausfrau angesprochen, sondern der ambitionierte Hobby-Koch bzw. Köchin.
Und weil das Heft gerade zu dem Zeitpunkt erscheint, an dem fast alle Food-Magazine mit Plätzchen um die Lesergunst buhlen, nähert sich auch Effilee dem Thema: "Keksparty. Freunde einladen und Plätzchen backen - wer nicht gerade auf Kaffeekränzchen steht, verlegt die Feier in den Abend und serviert zu süssen Kugeln, Sternen un dCookies gut gekühlten Champagner." Und so tragen die Models auch fesche abendtaugliche Kleider und um den Hals einer Dame hängt ein flippiger silberner Schal. Ich fresse den Schal, wenn sie in dem Outfit Kekse gebacken hat. Der dazugehörige Typ in Flirtlaune ist tätowiert und Keksebacken scheint ein Retrovergnügen der 70er-Jahre zu sein. Die Kekse wirken übrigens dabei nich allzu lecker. Ich glaube, das ist gewollt. Bloss nicht zu lecker (spießig!) daherkommen.
Kekse werden anschließend noch einmal genau aufs Korn genommen: Warum krümelt der Keks? Da erfährt man schon im Vorspann: "Kekse entstehen aus Teig. Der wiederum besteht in den meisten Fällsn aus verärnderlichen Anteilen von Mehl, Wasser, Fett und Ei. Diese Stoffe bestimmen viele Eigenschaften der Kekse, wobei nicht verschwiegen werden soll, dass die wichtigste Eigenschaft, der Geschmack, meistens von anderen Zutaten wie Salz, Zucker, Kakao oder Gewürzen abhängt."
Es folgen viele Details zu verschiedenen Teigen. Für Leute, die viel backe, ist das Grundwissen.
Die Rubrik "Weltweit essen" erinnert mich wiederum an BrandEins. Diesmal an die Rubrik "Zur kleines ökonomischen Einheit, dem Mensch". Bei BrandEins wird dabei immer die berufliche und private Situation eines Menschen dargestellt, bei Effilee geht es ums Essen. Die Fragen, die diesmal einer Japanerin gestellt wurden:
Wie lange stehen Sie am Tag in der Küche?
Gehen Sie häufig essen?
Wo kaufen Sie Ihre Lebensmittel?
Was essen und trinken Sie am liebsten?
Was ist Ihr liebster Gegenstand in der Küche?
Und was essen Ihre Kinder?
Dazu gibt es ein kurzes Rezept und eine Auflistung von Lebensmittelpreisen in Japan. Gefällt mir.
Fazit: Bei Durchlesen gefiel mir das Magazin dann doch besser als beim ersten Durchblättern. Das Konzept mit seinen Rubriken ist auf dem Food-Magazin-Markt neu. Die Umsetzung, vor allem Bildsprache hängt zwischen BrandEins und Neon. Eine schlüssige durchgängige Bildsprache und vielleicht doch etwas mehr "lecker" wäre fein. Mit einem Preis von 6,80 liegt Effilee 80 Cent über dem "Feinschmecker" und 2,80 Euro über "Essen & Trinken" - da wird es schwer werden, sich zu positionieren. Im Visier haben die Macher ja aber ohnehin die BrandEins-Leserschaft. Aber ob die mit ihrem Leib- und Magenblatt dann insgesamt 14,40 Euro pro Monat bzw. alle 2 Monate (effilee wird 6x jährlich erscheinen) ausgeben möchten? Ich bin gespannt. Ich hätte übrigens den Titel "Kochpirat" für ein Food-Magazin ganz charmant und frech gefunden ...
15 Kommentare
Einerseits bin ich auf Grund dieser Kritik geneigt das Heft zu kaufen - einfach um es selbst zu sehen. Sonst macht der Review wenig Appetit darauf. Das Logo finde ich schlecht - zu wenig Messer - aber anscheinend stand die Anmutung "scharf" im Vordergrund.
Den Namen finde ich schwierig, die Website schreibt: "so wird Geflügel bezeichnet, das gerupft aber mit Kopf, Füßen und Innereien in den Handel kommt."
Hört sich sehr interlektuell an. Kochpirat gefällt mir auch besser. Aber wer weiß, welches Marketingkonzept dazu geraten hat ...
Ich glaube von der frz. Bedeutung des Worts "Effilee" möchte man gar nicht so viel rüberbringen. Ein Magazin, das gerupft, aber mit Kopf, Hals und Innereien auf den (Magazin-)Markt kommt? ;-)
Also mich hat die Beschreibung nicht unbedingt überzeugt, aber vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass ich kein Brandeins Leser bin.
@Herbert: Ich habe ja auch meine Meinung geschildert - und die ist ebenfalls nicht eindeutig: inhaltlich gute Ansätze und Charmantes, aber von der Bildsprache hat mich das Magazin nicht wirklich erreicht.
Nein, nicht noch eine Kochzeitschrift. Ich glaube, ich verstehe jetzt diese Kritik einfach negativ und streiche das Blatt umgehend aus meinem Gedächtnis. Öhhm, wovon schreibe ich gerade? Vergessen.
ist die die Hoch-Zeit dieser Kochzeitschriften, sendungen etc vorbei?
und, wenn schon ein französischer Titel, dann bitte richtig:
Effilée!!!!!!!!!!!!!!Das galt nicht Dir, sondern den Leuten dieser Zeitschrift...
@Jutta: Ich bin ja bekennender Magazin-Junkie - aber bei dem Preis überlege ich dann doch noch einmal und entscheide wirklich erst nach dem Durchblättern beim Händler.
@Bolli: Mit Accent aigu würde das aber in Deutschland zu elitär aussehen. ;-)
Ich glaube, das frz. Wort hat als Quelle für ein deutsches Kunstwort gedient ...
Die Tage bin ich schon über deren Webseite gestolpert und fand sie ziemlich unansprechend, hatte mir aber vorgenommen im Zeitschriftenhandel mal reinzublättern. Für den happigen Preis hätte ich sie mir vermutlich ohnehin nicht gekauft, da investiere ich lieber in ein 5-Euro-Kochbuch vom Grabbeltisch.
Danke fürs rezensieren, so bleibt mir sogar das Durchblättern erspart. ;)
@Evi: Ja, das kann man ruhig einmal in Relation setzen: Die broschierten Themen-Kochbücher von Zabert-Sandmann kosten 4,95 Euro - und liegen noch nicht einmal auf dem Grabbeltisch. Ob dieser Kampfpreis dem Kochbuchmarkt gut tut, ist eine andere Frage ...
Aber Kochzeitschrift will Effilee ja auch gar nicht sein, wie man im Editorial lesen konnte.
Zabert-Sandmann kannte ich jetzt gar nicht. Aber ich glaube ich bin ohnehin nicht der Typ für "Trendkochbücher" ;)
Bei uns gibt es gelegentlich Restposten der von ullmann mittlerweile neu aufgelegten "großen" Kochbücher oder der Culinaria-Reihe aus dem Könemann-Verlag. Da weiß man seine 5 Euro gut investiert. Nur Essen. Ohne Mode-Models in Restaurants.
Oha, dieses Keksfoto muss Dir weh tun, gerade Dir! Das verstehe ich gut. Nun, ich werde mal drumherum schleichen im Kiosk …
lufthansa auch mein 1. gedanke. danke fürs vorstellen. mal schauen ob ich dieses heftchen hier finde. muss mir ja meine eigene meinung bilden ;-)
Ich hab`s gestern in nem Cafe gelesen. Spricht mich auch nicht sonderlich an, sofern man vieles ja auch auf der Homepage nachlesen kann. Habe aber gleich ein Rezept aus dem Heft ausprobiert: "Fenchel mit Ziegenkäse und Tomaten". Gibt es auch online- war lecker, mal was anderes , aber umgehauen hat es mich nicht!
Der Name Vijay Sapre kam mir beim Lesen sehr bekannt vor. Eine kurze Recherche im Internet hat meine Vermutung dann bestätigt. Der Mann hat zuvor mobile.de aufgebaut und ist durch den Verkauf zum Privatier geworden.
Das Heft kenn' ich nicht und ist mir zu teuer, um es zu testen. Erst recht nach Deinem Post!
Für den Erfolg seines Magazins und Kochcommunity muss man wohl noch die Daumen drücken.
Wozu eigentlich eine Kochcommunity: Die deutsche Foodblogszene ist doch eine super und zudem noch selbstorganisierte Kochcommunity, oder? ...ohne Zensur und unglaublich Facettenreich.
josch :)
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