Heißer Kochbuch-Herbst?
Von Claudia am Okt 4, 2012 | In Rezensionen, News
Der Herbst bringt uns wieder viele neue Kochbücher. Was könnte interessant werden, was nervt? Ich habe eine Menge Neuerscheinungen angeschaut
Ich habe meinen Schwerpunkt meist auf britischen Büchern. Meist sind dann viele Neuerscheinungen dann keine wirklichen Neuheiten mehr für mich. Für mich ist es egal, ob ich ein Buch auf englisch, französisch oder deutsch lese. Ich kann aber auch verstehen, wenn man ein Kochbuch in der eigenen Muttersprache haben möchte.
Herbstzeit ist Kochbuchzeit. Kein Verlag will das lukrative Weihnachtsgeschäft verpassen. Das bescherte Jamie Oliver 2010 beispielsweise Rekordverkäufe. Seine "30-Minuten-Menüs" waren der Renner und gingen innerhalb von nur 10 Wochen 735.000 Mal über die Ladentheke (oder wahrscheinlicher durch die Hände von Amazon-Paketpacker). Auch wenn es selbst Profi-Köchen kaum gelang, die Menüs in der vorgegebenen Zeit nachzukochen, tat das dem Konzept keinen Abbruch. Immer schneller wollen die Leute ihr Essen auf den Tisch bringen und so gibt es jetzt Jamie's 15-Minute Meals. Wer des Englischen nicht mächtig ist, muss sich noch bis zum 2. November gedulden, dann erscheint das Buch auch auf deutsch: Jamies 15-Minuten-Küche: Blitzschnell, gesund und superlecker.
Wo Jamie Oliver mit den Hufen scharrt, sind auch die anderen nicht weit von der Startlinie. Nigella Lawson tritt gleich mit dem Superlativ an: Nigellissima. "At the heart of Italian cookery lies a celebration of food that is fresh, tasty and unpretentious; Nigella Lawson reflects this in recipes that are simple and speedy, elevating everyday eating into no-fuss feasts", heißt es im Verlagstext. "Fresh, tasty, simple, speedy, everyday eating, no fuss, feasts": Damit kann man so ziemlich alle Nigella-Bücher zusammenfassen. Diesmal also mit dem Schwerpunkt Italien. Ich bin mir aber sicher, dass die faltenfreie (sie ist 52!) TV-Köchin auch diesmal wieder einige Keeper im Programm hat. Mich haben ihre Rezepte nie enttäuscht. Was man allerdings nicht erwarten sollte: ein echtes italienisches Kochbuch. Es sind Nigella-Rezepte und mit der Authentizität nimmt sie es nicht so genau. Das können andere wie etwa Marcella Hazan oder Giogio Locatelli mit Made in Italy. und Sizilien. Das Kochbuch viel besser. Das Sizilienkochbuch hat mich übrigens sehr erstaunt. Nach "Made in Italy" konnte ich mir nicht vorstellen, dass er noch einmal so einen dicken Wälzer zustande bringen würde, der so viel Anderes und Neues beinhalten würde. Kann er aber - ganz ohne sich zu verbiegen und ohne eigene TV-Show.
Zurück zu Nigella: Auch diesmal gibt es eine begleitende Fernsehserie. Ich frage mich mittlerweile, was zuerst da war: Die Idee zum Buch, oder die TV-Idee mit der Notwendigkeit, ein Buch herauszubringen. Es scheint mittlerweile unmöglich zu sein, eine TV-Serie ganz ohne begleitendes Buch zu konzipieren. Wer promoted hier wen? Das Buch ist übrigens nicht ganz dick wie ihre Vorgänger - insgesamt habe ich vom Einband und der Papierqualität den Eindruck, dass man nicht ganz so sorgfältig war, wie noch bei "Nigella Kitchen."
Gespannt erwartete ich Lästermaul Gordon Ramsays Gordon Ramsay's Ultimate Cookery Course. 320 Seiten bringt mit dem Versprechen, aus uns bessere "home cooks" zu machen. Das habe ich mir schon gedacht. Ich mag Ramsays Rolle als TV-Koch-Rüpel so gar nicht, habe aber aus vielen Kochvideos schon so manchen guten Tipp bekommen. Beispielsweise, wie man ein gutes Rührei produziert. Seine Serie auf Channel 4 ist gewohnt zackig, kommt aber ganz ohne "Fuck" aus. Wer richtig hinschaut, kann viel lernen. Aber man muss schnell sein, denn das Tempo ist atemberauben. Das Buch indes ist nicht ganz so sehr nach "Kochkurs"-Manier aufgebaut. Steps fehlen und auch bei der Warenkunde sieht es dürftig aus. Dass das Filetieren von Fisch gänzlich unbebildert bleibt, ist für mich unverständlich. Es geht Ramsay mehr um das Kochen von Gerichten. Und die gefallen mir gut. Es sind alltagstaugliche Gerichte mit raffinierten Details. Von klassisch britisch bis mediterran, von französisch inspirierten Gerichten bis zu afrikanischer Küche. Wer keine Kochschule erwartet, wird auch nicht enttäuscht.
Auf Diana Henrys Buch Salt Sugar Smoke freue ich mich schon. Es geht ums Konservieren, also um Konfitüren, Eingekochtes, Geräuchertes und Eingesalzenes. Diana Henry ist sehr sorgfältig. Für das Kapitel zur Fleischkonservierung hat sie sich Rat bei Michael Ruhlman geholt - sein "Charcuterie" ist auf dem Gebiet unerreicht. Ihre Danksagungen listen fast das Who-is-Who der britischen Kochbuchszene auf. Und das, obwohl sie selbst schon eine renommierte Kochbuchautorin ist. Wer kein Buch zum Thema Konservieren hat: Da erfährt man alles Wissenswerte.
Auch meine Kochlehrerin in Ballymaloe, Rachel Allen, bringt mit Cake ihr 9. Kochbuch heraus. Ich habe bereits ihr Buch Bake: From Cookies to Casseroles, Fresh from the Oven, das ich kaufte, bevor ich nach Ballymaloe ging. Wenn ich es heute durchblätter, finde ich viele von unseren Kochschul-Rezepten, manchmal mit kleinen Abwandlungen. Das geht mir übrigens mit allen ihren Büchern so. Was die Rezepte allerdings nicht schmälert, denn die funktionieren immer. Etwas Aufpassen sollte man, denn ich vermute, dass weiterhin immer nur von "Butter" die Rede ist. Und die ist in Irland immer gesalzen. Nach ungesalzener Butter muss man gut gucken, die findet man auch nicht überall - meist nur in größeren Supermärkten.
Back to the roots heisst es für Yotam Ottolenghi: Er stellt seine Heimatstadt Jerusalem in den Mittelpunkt seines neuen Buches. Ich mag Ottolenghis Aroma-Kompositionen, auch wenn das für den Home Cook bedeutet, dass man ein ganzes Arsenal an Gewürzen, Kräutern und anderen Zutaten vorrätig haben sollte, wenn man seine Rezepte nachkocht.
Das gilt auch für "Jerusalem" wieder. Da wird das Brathuhn mit Arak vermählt, der Fenchel ist der Trauzeuge und die Clementinen streuen Blumen. Ottolenghis Rezepte sind ein Versprechen. Sie versprechen neue Aromen, neue Geschmackserfahrungen, die Lust machen auf mehr. Auf mehr Ausprobieren.
Wenn ich einen Food-Journalisten in mein Herz geschlossen habe wegen seines Schreibstils, dann ganz sicherlich Nigel Slater. Ich habe beim Lesen seiner Geschichten schon Tränen gelacht und jedes Mal bin ich fast traurig, wenn ich ein Buch zuende gelesen habe. Slater setzt seine Kitchen Diaries fort mit Kitchen Diaries 2: A Year of Simple Suppers. Tagesweise - aber nicht täglich - schreibt Slater über sein Essen. Die Texte nehmen mehr Raum ein als die Rezepte - und das ist gut so. Slater ist eine ehrliche Haut. So beginnt er beispielsweise seinen Eintrag vom 25. May: "My perfect steak is usually that cooked by someone else. I say this because I like my steak with béarnaise sauce and chips and I rarely, if ever, fance doing battle with a chip pan at home." Ich mag ihn auch für solche Sätze.
River Cottage hat als Fernsehserie über den Lauf der Jahre einiges an Charme eingebüßt, aber sich durchaus schlüssig weiterentwickelt. Hugh Fearnley-Whittingstall wurde dabei zum Food-Campaigner, der auf viele Missstände ("Hugh's Chicken Run", "Fish Fight", "Landshare", "Veg Heroes") aufmerksam machte und dabei stets auch versucht, kulinarische Lösungen anzubieten. Dass auf der Farm, auf der Kurse und lange Restaurantnächte angeboten werden, alles selbst gemacht wird - davon konnte ich mich 2010 selbst überzeugen, als ich zwei Wochen dort in der Küche arbeitete. Hughs neues Buch Hugh's Three Good Things stellt auf 420 Seiten die These auf, dass es nicht mehr als 3 Zutaten braucht, um leckere Gerichte zu produzieren. Wobei "3 Zutaten" natürlich so nicht ganz richtig ist. "3 Hauptzutaten" wäre eindeutiger gewesen. Denn zu "Pheasant, bacon, prunes" gesellen sich natürlich noch Calvados, Weisswein und eine Reihe Gewürze. Was mir bislang an allen River-Cottage-Büchern gefiel: Die Rezepte sind ziemlich gelingsicher.
Bei einem Thema bin ich sehr gespalten: Bei den Hairy Bikers. Erst fand ich die doof, dann sah ich die Hairy Biker's Food Tour of Britain. Die Serie fand ich klasse, lustig, leicht. Doch innerhalb der letzten beiden Jahre haben es Dave Myers and Si King (oft von Myers Kingi genannt) geschafft, nicht weniger als 5 Bücher auf den Markt zu bringen. "Mums still know best II", die Pie'ble, ein allgemeines Backbuch, ein Diätbuch und nun im Oktober The Hairy Bikers' Great Curries. So langsam bin ich wieder etwas genervt von den beiden ... Was nicht heisst, dass die beiden nicht auch nette Rezepte produzieren. Ich fand sie immer am besten, wenn sie auf den Spuren britischer Klassiker waren.
Ein echtes Schwergewicht kommt im November auf den Markt. Gleich in zweifacher Hinsicht: Modernist Cuisine at Home hat 456 Seiten und kostet momentan in der Vorbestellung knapp 105 Euro. Damit kostet es nur ein Fünftes des Preises, den man für die gesamte Modernist Cuisine-Sammlung ausgeben muss. Günstiger wirds, wenn man bei amazon.co.uk bestellt. Was einen erwartet, kann ich nur ahnen. Ich werde mich noch gedulden müssen, bis das Buch bei mir liegt.
Tom Parker Bowles, Sohn von Camilla, Dutches of Cornwall, bringt mit Let's Eat seine "Recipes from my kitchen notebook" heraus. Da finden sich britische Klassiker wie die Treacle Tart, aber auch Basics wie Mayonnaise oder Scrambled Eggs. Das mag alles für den Menschen Parker Bowles sehr wichtig gewesen sein, doch insgesamt blättere ich gelangweilt durch das Buch. Ein wenig weiter hinten zaubern mir dann die asiatischen Rezepte ein wenig Glanz auf die Augen, aber das habe ich alles schon gesehen. Das war das Durchblättern, was vielleicht allzu schnell zum Weglegen reizt. Aber Parker Bowles ist ja kein einfacher Rezeptautor, sondern hat eine Menge zu den Gerichten zu erzählen. So beginnt seine Einleitung zu den Schollen-Goujons: "A goujons is a fish finger with a french accent and Chanel bag. Da fängt es an, Spaß zu machen.
Als eine der "New Voice in Food" debütierte der Brite Stevie Parle in der Kochbuchszene. Ich wurde auf ihn aufmerksam, weil eine meiner Kochlehrerinnen ihm beim Aufbau seiner "Dock Kitchen" in London geholfen hatte. Schon kurz darauf wurde er vom Observer zum Young Chef of the Year ernannt. Stevie war auch ein Ballymaloe-Schüler - von daher fand ich es immer interessant, was die Absolventen der Ballymaloe Cookery School so anfangen mit ihrem Kochwissen. Jetzt hat er mit Stevie Parle's Dock Kitchen Cookbook sein zweites Kochbuch herausgebracht. Zum einen mag ich schon den Einback mit der dicken, weich gepolsterten Haptik nicht. Dann ist eine Banderole drumherum, die bald kaputtgehen wird. Leider ist sie an zwei Punkten festgeklebt. Aber man sollte sich ja nicht von Äußerlichkeiten beeindrucken lassen ... Bis auf wenige Aufnahmen sprechen mich die Fotos nicht an, im schlimmsten Fall machen sie mir keine Lust auf die Rezepte.
Ein echtes Highlight kommt diesen Herbst aus dem AT-Verlag: Ticino ti cucino: Originalrezepte und kulinarische Geschichten aus dem Tessin. Das Buch nimmt sich einer Region an, die nicht so hip wie Spanien oder Italien. Es zeigt Kleinode der kulinarischen Szene, hebt Klassiker der Tessiner Küche auf eine Bühne und wirkt bei alldem herrlich warm und gemütlich. Da möchte man glatt selbst stundenlang mit dem Holzlöffel im Polentatopf herumrühren.
Das war mein kurzer Ausflug in die Kochbücher des Herbstes 2012. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit - aber habe ich vielleicht ein absolutes Highlight nicht auf meinem Radar?
9 Kommentare
Ooooppsss.... jetzt hab ich doch ganz, ganz kurz mal auf die schöne Seite geschaut. Hier steht zunächst der neue Mälzer an, aber Danke für die Ideen. ;)))
Jetzt, da ich weiß, dass der Herr Paul da seine Finger mit im Spiel habe, überlege ich es mir mit dem Mälzer noch mal :-)
Schöne zusammenfassung. Vielen Dank für die Mühe. Da sind direkt mal 3 neue Titel auf die Amazon-Wunschliste gewandert ;)
Das Buch vom Ramsay habe ich mir gekauft, nachdem ich die Fernsehbilder dazu gesehen habe. Es stimmt, das Tempo ist atemberaubend, aber genauso sind die Rezepte. Für Kochanfänger ist das aber wirklich nix. Wenn das Gefühl fürs Kochen noch nicht da ist, ist die Enttäuschung sicher groß. Aber Kochen kann halt mit den richtigen Zutaten so einfach und schön sein.
Und ja Ramsay ist ein A..., aber ein fantastischer Koch und deshalb darf er auch ein A.... sein, ich mag ihn trotzdem.
LG. Kerstin
Danke für diese Übersicht! Besonders reizt mich nach all dem Gelesenen das Buch über Jerusalem...Brathuhn und Clementinen, I'm in!
Liebe Grüsse,
Vanessa
Sehr schöne Kochbücher! Ich wäre nur froh, wenn Jemand dem Mälzer endlich mal den Kochlöffel wegnehmen würde!
LG
Wow, da sind ja einige tolle Schätze dabei. Vielen Dank für die Tipps.
LG
das ist eine schöne Liste mit kritischen Worten, was mir gefällt. "Jerusalem" habe ich bereits am Erscheinungstag blind gekauft. Wie auch du vertrau ich dem Ottolenghi, ausserdem wollen die Gewürze genutzt werden =)
Das Buch von Ramsay werde ich mir bestimmt nicht holen, nicht wegen ihm, sondern wegen der hervorragenden TV-Sendung auf Channel4, die ich mit Freude ansehe und aufnehme.
Lawsons Sendung ist für mich weniger interessant und lehrreich, jedoch sehr amüsant und einen gewissen Charme muss man der Frau einfach einräumen! Sehr unterhaltsame Kreationen bei ihr, und immer easy.
Mit Spannung erwarte ich dein Review zum "modernist cuisine".
Liebe Grüsse,
Alex
Der Mälzer musste doch wirklich nicht sein. Ansonsten eine gute Auswahl. Jetzt kommt der Winter und es ist mehr Zeit mal wieder aus den Büchern nachzukochen.
« Sour Cream Pancakes - Pfannkuchen mit Saurer Sahne | Pull apart bread - Butterkuchen-Zupfbrot » |