Friday night @ River Cottage
Von Claudia am Okt 23, 2010 | In News, Landleben
Mein letzter Tag auf River Cottage. 11-Stunden-Schicht. Viel Stress, viel Spaß und ein wehmütiger Abschied.
Während ich sonst tagsüber eingesetzt wurde, war mein letzter Arbeitstag auf der britschen Farm die "Friday Night @ River Cottage". Tagsüber fanden keine Kurse statt, aber abends war die alte Scheune gut besucht: 64 Gäste hatten sich zum Essen angemeldet.
Meine bisherigen Kocherfahrungen in der River-Cottage-Küche waren geprägt von den Kochkursen, bei denen ein herzhaftes, ländliches Mittagessen serviert wurde, meist mit dem Thema des Kurses verknüpft. So gab es an den Pilztagen etwa Pilztartes, Pilzsuppen, Rindergeschmortes mit Pilzen oder Dinkelrisotto mit Waldpilzen. Die Dinner-Abende auf River Cottage sind Anspruchsvoller. Nach den kleinen Amuse gueules bzw. Canapés kamen 4 weitere Gänge, die uns Köche ganz schön auf Trab hielten.
Hier das Menü des Abends:
Canapés:
Spiced beef kebabs, mint yoghurt
Beetroot hummus, flat breads, preserved lemon
Caramelized onion and blue cheese
Leek rarebit
Seared squid, chorizo, autumn salad
Warm salad of roast pumpkin, fresh ricotta and ham
Cured, lightly smoked rump of beef, slow roast back rib, cauliflower and pancetta croquettes, cabbage and leeks
Coffee and chocolate crème brulee, orange and hazelnut meringue, orange salad
Coffee
petit four
Meine Aufgaben: Erst einmal Brot backen. Head-Chef Gill gab mir gut 1,5 kg alten Brotteig und sagte, ich solle noch ca. 2 kg Mehl zugeben, entsprechend Hefe, Salz und Wasser. Welches Mehl, welche Methode, Gärzeiten und Form - das war meiner Entscheidung überlassen. Der "alte" Teig war Kühlschrank-kalt. Ich fing an, ihn in der großen Küchenmaschine mit lauwarmem Wasser zu mischen. Einerseits, um den Teig etwas wärmer zu machen, andererseits, um das Vermischen mit dem neuen Mehl und den restlichen Zutaten zu vereinfachen. Gill schaute interessiert zu. Ich ging rüber in den Vorratsraum und wog das Mehl ab. Ca. 2/3 des gemischten Mehls mit Malzflocken, dazu 1/3 Bread Flour. 25 g Trockenhefe (also etwas mehr, sollte der alte Teig nicht so richtig in die Puschen kommen), 40 g Salz, 1,2 l Wasser. Der Teig war mir dann aber irgendwie noch zu fest und zäh, ich gab etwas mehr Wasser hinzu. Den Rest erledigte dann die Küchenmaschine, die ich gut 10 Minuten kneten ließ. Dann durfte der Teig ruhen. Ca. 1 Stunde, vielleicht mehr. Dann das Formen der Brote. Längliche Brote erweisen sich für den Abendservice als beste Form. Ich lasse die geformten Laibe dann auf einem bemehlten Leinentuch gehen, bestäube sie ordentlich mit Mehl. Nach ca. 45 Minuten dann rüberheben auf die Backbleche und das Einschneiden. Backen bei hoher Temperatur und einer lässig in den Ofen gekippten Schale Wasser. Dann Temperatur reduzieren und fertigbacken bis die Brote beim Draufklopfen hohl klingen.
Ein Kochkollege, der längere Zeit bei Michel Roux jr. gearbeitet hat, schneidet sie nach dem Auskühlen an: Perfekte Krume! Auch wenn ich beim Brotbacken ein recht gesundes Selbstvertrauen habe, freue ich mich über das Kompliment. Auch der Service probiert später und nickt anerkennend. Der muss die Brote schließlich an die großen Tafeln bringen.
"Hast Du Lust Chorizo zu machen?" Aber klar! Allerdings stelle ich nur die Wurstmasse her. So richtig zu Würsten wird meine Wurst nicht, denn es werden kleine mundgerechte Bissen für den Tintenfisch gebraucht. Die kleinen Happen werden auf Backblechen im Ofen geröstet. Ich freue mich trotzdem und wiege das Schweinehackfleisch ab, rechne die benötigten Gewürzmengen ab, röste etwas Fenchel und verknete alles ordentlich. Geschmacksprobe: Ich brate eine kleine Portion in der Pfanne: zu wenig Salz, zu wenig Cayenne, zu wenig smoked Paprika. Nachwürzen und wieder braten. Nun stimmt's in etwa, etwas Salz fehlt immer noch. Nachwürzen, fertig.
Pause. Ich nutze das schöne Wetter für einen letzten Gang in den Garten hinter dem Farmhouse. Er sieht jetzt schon wieder anders aus als noch bei meiner Ankunft. Wie großartig muss es sein, so einen Garten direkt vor der Küchentür zu haben.
Jetzt warten jede Menge Orangen darauf, filettiert zu werden. Das empfinde ich als meditativ. Ich habe mir auch für mein Frühstücksmüsli angewöhnt, immer eine Orange oder Grapefruit zu filettierten.
Als nächstes Mint-Joghurt. Allerdings mit deutlich mehr Crème fraîche. Ich laufe die Gärten nach Minze ab. Die Sträucher sind gut abgeerntet, ich begnüge mich mit jungen Trieben.
Wir brauchen noch Petit fours! Sprich: Etwas Gebäck zum Kaffee. Mir fällt leider nichts anderes außer ein paar Mürbekeksen ein. Mein Vorschlag, ungefähr diese Kekse mit Mandeln und Orange zu machen, wird abgelehnt: Orange haben wir schon in den Baiser, außerdem Orangensalat. Mohn schlägt Gill vor. Ich füge hinzu: Zitrone und Mohn. Deal! Ich soll auch gleich den Teig für den nächsten Abend mit zubereiten. Große Menge! Ich forme den Mürbeteig zu einer Rolle und rolle sie in Zucker - dann muss ich die fertigen Kekse nicht noch in Zucker wenden. Die Kekse schneide ich ab.
Zwischendurch immer wieder kleine Schnippel-Arbeiten und Aufträge wie "Schmelz mir mal 400 g Butter", "Kannst Du mal etwas Kümmel rösten?" häufen sich. In der Zwischenzeit auch noch aus weiterem alten Teig Fladenbrote backen. Ich backe die eine Seite in einer heißen Pfanne auf dem Herd, danach geht die Pfanne kurz unter den Grill. Die Fladenbrote plustern sich gigantisch auf, ähnlich wie im Holzofen. Die Fladenbrote werden für die Canapés benötigt.
Irgendwann werden die Feuerkörbe im Hof angezündet, die hübsche Tisch-Deko mit Kürbissen, grünen Zweigen und Parasol-Pilzen steht. Zwei lange Tische sind eingedeckt, Kerzen angezündet. Die Gäste können kommen.
Jetzt geht der Stress richtig los: Die Teller für den ersten Gang werden angerichtet: Gerösteter Kürbis mit selbstgemachtem Cottage Cheese, dazu selbstgemachter, luftgetrockneter Schinken. Oben drauf Mini-Salatblätter (ca. 1 cm groß), u.a. entdeckte ich mustard leaves. Etwas Dressing dazu.
Kaum ist der erste Gang draußen stehen wir in den Startlöchern für den nächsten. Tintenfisch mit Chorizo und herbstlichem grünen Salat. Meine im Ofen gegarten Chorizo-Häppchen kommen zum Einsatz. Gill brät in 2 Pfannen gleichzeit den Tintenfisch, Emma wirft Chorizo-Bits und Tintenfisch zusammen, etwas Zitronensaft dazu, fertig zum Portionieren. Neall häuft Salat auf die Teller, ich darf Dressing drübergeben.
Weiter geht's mit dem Hauptgang. Das Fleisch ist ein echter Knaller: Es kommt direkt von Hughs Farm, wurde leicht mariniert und anschließend im Smoker auf dem Hof über Kastanienholz leicht geräuchert, danach kräftig angebraten und im Ofen nur kurz weiter gegart. Wir dürfen alle probieren. Himmlisch! Ich habe lange nicht so ein leckeres Rindfleisch gegessen. Dazu gibt es eine Art Fleischklops, der im Schweinenetz im Ofen gebacken wurde. Meine Aufgabe bei diesem Gang: Das Fleisch ansehnlich auf die Teller drapieren. Bei den unterschiedlichen Scheiben gelingt mir anfangs nicht immer eine gerechte Verteilung. Aber es wird ja ohnehin immer jeder Teller vom Chef kontrolliert.
Dann endlich das Dessert: Die Orangen-Haselnuss-Baiser mit Haselnuss-Creme-Chantilly, Orangensalat (mit reduziertem Orangensaft), eine Schokocreme. Eigentlich sollte es erst eine Schoko-Creme-Brulée werden, aber auf die Karamellschicht wird verzichtet.
Finales Saubermachen. Danach noch kurz ein Feedback von Head-Chef Gill. Ich war eine von den besseren Leuten, die in der Küche "auf work experience" waren. "You certainly know your food." Ich freue mich über das Kompliment. Als kleine Anerkennung für meine Arbeit darf ich mir ein paar River-Cottage-Bücher und -DVDs aussuchen.
Auf River Cottage wird die Philosphie von lokal, saisonal und vom Selbermachen gelebt. Es gibt keinen Fisch, der nicht vor der Küste gefangen wurde, kein Gemüse aus Afrika oder sonstwo. Beim Käse werden britische Sorten verwendet, auch wenn Rezepte italienischen oder französischen Käse angeben. Das ist so anders als in Ballymaloe, wo schon mal fertig geriebener Mozzarella auf der Pizza landet oder das Gemüse eingeflogen wird. Ich habe mich auf River Cottage - nicht zuletzt auch wegen der netten Leute - pudelwohl gefühlt. Ich hatte eine großartige Zeit!
Mehr über meine River-Cottage-Zeit
River Cottage - Tag 1
River Cottage - Tag 2 & 3
River Cottage - Tag 4 - ich stehe am Herd
River Cottage - der "Bread & Build"-Tag (Ofenbaukurs)
River Cottage - Tag 6 - meine Aufgabe: Sausage Rolls
Der River Cottage-Pilzkurs mit John Wright
Bridport Farmers' Market
Mehr River Cottage-Hand- und Kochbücher
The River Cottage Cookbook
Bread: River Cottage Handbook No. 3
Preserves: River Cottage Handbook No.2
Sea Fishing (River Cottage Handbook)
Veg Patch: River Cottage Handbook No.4
River Cottage Everyday
5 Kommentare
Danke fürs Mitnehmen. Der letzte Abend klingt wirklich stressig. Dass du eine der Besseren warst erstaunt mich nicht. :-)
Liest sich alles sehr spannend. Mir gefällt besonders das Konzept möglichst konsequent regional zu sein.
Ich habe deine Berichte sehr genossen und sie wirklich gern gelesen... weiter so!
Welch ein toller Abschluss. Die lange Tafel mit dem grob gehauenen Holztisch sieht ja umwerfend aus. Vielen Dank für Deine Berichte. :D
Danke für die schönen Berichte! Als jemand, der eher ein Laie in der Küche ist, bin ich immer wieder von den Socken, wie entspannt du dich den Anforderungen stellst und dass du in der Küche immer - im Gegensatz zu mir - weißt, was du tust ;-) Auf bald in Hamburg!
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