Die Küche im River Café in London, Teil 2
Von Claudia am Okt 28, 2010 | In News, Fool for photos
Meine Entdeckungstour und die praktische Arbeit im River Café ging weiter. Es gab viel zu lernen und zu beobachten.
Mein 2. Tag im River Café fing recht unspektakulär an. Nüsse im Mörser knacken für den Walnuss-Mandel-Kuchen. Viele neue Gesichter, die meisten kannte ich nicht vom Vortag. Also noch einmal Namen merken und erzählen, wer ich bin, woher ich komme.
Ich staune, dass hier selbst die Butter aus Italien kommt. "Die ist besser, weil sie weniger Fett hat", erklärt mir der Teig rührende Koch. Das mag ich nicht glauben und schnappe mir später ein Päckchen der Butter: 82% Fett. Also gleicher Fettgehalt wie so ziemlich jede andere Butter auch. Zuhause schaue ich genau nach: Die Kerrygold aus Irland hat 82% Fett, Butter aus deutschen Landen ebenfalls. Ausnahme bildet eine frz. Butter, die ich mir aus Frankreich mitgebracht habe. Die Butter mit Salzkristallen hat 80% Fettgehalt, das gilt für die Paysan breton "aux cristeaux de sel de Guérande" als auch für die Butter "aux cristeaux de sel de Noirmoutier". Meine Zweifel an der Notwendigkeit italienischer Butter äußere ich aber nicht.
Nachdem der Kuchen im Ofen und die Schokolade mit der Butter geschmolzen sind, bekomme ich eine neue Aufgabe. Eine kalte Tomatensauce soll ich machen. Ich werde gefragt, ob ich schon einmal Tomaten gehäutet hätte und ob ich wisse, wie man Tomaten grob zerschneidet. Ja, ja, das weiß ich. Wird mir trotzdem noch einmal erklärt und gezeigt. Ich soll die Tomaten grob zerkleinern, später gehen die in den Foodprozessor. Ich tue wie mir geheißen. Der Koch kommt zurück und sagt: "Das ist nicht fein genug." Ich entgegne, dass die doch in den Foodprozessor sollen. "Nein, wir machen das jetzt ohne Maschine. Ganz fein schneiden also. Das soll eine Sauce werden." Ich verfahre so mit den italienischen Fleischtomaten als auch mit dem leicht altbackenen Brot. Dazu kommt etwas getrockneter Oregano, Salz, Pfeffer, Olivenöl und eine Knoblauchzehe. Abschmecken ist nicht meine Aufgabe, das erledigt der Koch. Er fragt mich, ob ich gern koche. Ich finde diese Veranstaltung in diesem Moment etwas lächerlich, frage, wo er gelernt hat und erzähle nebenbei, dass ich durchaus schon Kocherfahrung habe. Diese kleine Episode vergesse ich aber schnell und freue mich über die Sauce. Die schmeckt nämlich wirklich lecker. Wichtig sind dabei wirklich aromatische Tomaten. Beim Stöbern in River-Café-Büchern finde ich die Sauce in fast der gleichen Zusammensetzung in The River Café Classic Italian Cookbook.
Zur Mittagszeit habe ich diesmal keine spezielle Aufgabe. Ich schaue mich um und gucke dem Pasta-Koch über die Schulter. Der Pastateig ist der aus den div. River-Café-Büchern. Er wird mit dem italienischen 00-Mehl zubereitet und enthält viel Ei in Form von ganzen Eiern und Eigelb. Außerdem kommt Weizengrieß zum Bestäuben des Teigs zum Einsatz. Die Kürbisfüllung für die "Ravioli di Zucca" finde ich traumhaft. Die Ravioli werden dann nur in Butter geschwenkt, in der sich außerdem frischer Majoran befindet. Zum Schluss kommt etwas geriebener Pecorino rüber. Es ist das erste Mal, dass mir Majoran so richtig gut schmeckt.
Sowohl die Kürbis-Ravioli als auch die "Tagliatelle con Noci", frische Pasta mit einer Walnuss-Petersilensauce sind echte Renner als "Primi" vor dem Hauptgericht. Dementsprechend steht der Pastakoch ziemlich unter Strom. Seine Bestellungen wollen einfach nicht abreißen. Er ist außerdem auch für die "Polenta con Funghi" zuständig, die mit Steinpilzen und Pfifferlingen daherkommt.
Irgendwie ist Zugucken aber auch langweilig und ich möchte gern noch etwas lernen. Ich gehe in Richtung der Küchenhilfen, die gerade Jakobsmuscheln öffnen. Ich habe noch keine geöffnet, in Ballymaloe habe ich lediglich Jakobsmuscheln ohne Schale bekommen. In Hamburg gibt Jakobsmuscheln mit Schale nur auf Bestellung in Gastrogrößen zu kaufen. Das Öffnen und säubern sieht bei dem Herrn dort so einfach aus. Ich möchte mithelfen, denn hier warten ganz viele Jakobsmuscheln darauf, geöffnet zu werden. Gar nicht so schwer. Wesentlich einfacher als eine Auster zu öffnen. Ich bin so konzentriert, dass ich nicht merke, dass inzwischen ein anderer Küchenhelfer neben mir steht. Der ist sehr pädagogisch und zeigt mir wirklich jeden Schritt beim Säubern. Ich brauche ca. 10 Jakobsmuscheln bis ich das zumindest etwas eleganter kann. Er überwacht alles und korrigiert mich. Ich freue mich, das endlich einmal richtig gezeigt zu bekommen. Der Mann erinnert mich an einen Marrokaner, den ich einmal kennengelernt hatte. Ich frage ihn. Er kommt aber aus Brasilien. Verdammt. Er lacht aber. Die Retourkutsche kommt später. Er hält mich für eine Britin. Wir lachen beide. Er erzählt mir, dass seine Frau deutsch-braslianische Vorfahren hat und eigentlich Krause mit Nachnamen heißt. Wir lachen wieder. Er konfrontiert mich mit einigen deutschen Worten, die ich aber noch nicht gehört habe und demnentsprechend nicht übersetzen kann. Wir lachen. Irgendwann sind die Jakobsmuscheln fertig.
Der heutige Fischkoch zieht mein Interesse auf sich. Er bereitet "Sogliola al forno - whole Dover sole wood-roasted with anchovy & rosemary branches with tardivo & italian spinach" zu. Nach dem Anbraten in der Pfanne kommt die Seezunge in den Holzofen. Ich staune ohnehin, was alles im Holzofen zubereitet wird. Morgens wurde dort eine Zitronentarte in ca. 4-5 Minuten fertiggebacken, zur Mittagszeit befand sich ein Schmortopf sowie eine Art Pfannkuchen aus Kichererbsenmehl im Ofen. Überhaupt gefällt mir stylische Ofen, der Teil der Küche ist und nur ca. 2 Meter vom Gastraum entfernt steht. Auf alten Bildern - noch vor ca. 6 Jahren - sieht man, dass die Küche früher eine Trennwand hatte bevor man sich entschloss sie für alle Blicke zu öffnen.
Ich wechsele zu einem Koch, der gerade Moorhühner mit Kräutern füllt und in Form bindet. Ich helfe ihm beim Binden. Dann sehe ich wie Rebhühner für den Grill vorbereitet werden. Damit sie auf dem Grill einheitlich garen, wird die Wirbelsäure entfernt und der Vogel platt gekloppt. Ich kannte das schon aus Ballymaloe wo auch Hühner so flach gemacht werden. "Spatchcock chicken" oder "to spatchcock" heißt das im englischen. Ein deutsches Wort scheint es dafür nicht zu geben.
Dann ist Mitarbeiteressen. Eine Service-Dame wird kritisiert, weil sie einen fertigen Salat aus dem Supermarkt dabei hat. Sie verschwindet irgendwann genervt ohne ihren Salat angerührt zu haben.
Anschließend ist auch Ruthie Rogers da, um mit der Spätschicht die Abendkarte aufzusetzen. Ich habe ein paar Minuten mit ihr für ein kleines Gespräch. Sie will wissen, was ich bisher gemacht habe, woher ich komme. Wir reden über Ballymaloe, Darina Allen. Sie erzählt dann, wie viel sie zu tun hat und dass es so anstrengend sei mit dem Restaurant. Jetzt wo Rose nicht mehr da ist. Ich frage nach den Anfängen. Sie erzählt, dass sie anfangs nur 8 Tische hatten. Wir wechseln die Themen sprunghaft, es ist auch mehr Smalltalk. Die River-Café-Kleidung mag sie auch nicht, die ist eben für Männer gemacht. Ich sage, es müssen einfach noch viel mehr Frauen in den Küchen arbeiten, dann würde der Bedarf an vernünftiger Kochkleidung auch steigen. Sie sagt: "Ja, daran müssen wir beide arbeiten!" Dann ist unser Gespräch auch schon beendet, ein Koch benötigt Hilfe bei den Artischocken.
Ich helfe, die äußeren Blätter der Artischocken zu entfernen und zu schnitzen. Die Artischocken werden später gefüllt. Dann wird es noch einmal interessant. Der australische Koch vom Vormittag muss aus den Krebsen (Devon crab) das Fleisch herausholen. Prima. Das habe ich bereits an 3 Krebsen geübt, ich bin aber noch weit davon entfernt, Routine darin zu haben. Man muss sehr aufpassen, dass keine Schale in das Fleisch gelangt. Im Ballymaloe House (das Restaurant, nicht die Schule) hat sich der Mann einer Mitstudentin einen Zahn komplett abgebrochen als er draufbiss. Als wir in der Schule Krebse hatten, war ich sehr sehr, vorsichtig beim Essen und konnte nur erahnen, welchen Schaden die Krebsschale anrichtet als ich selbst ein Stück im Mund hatte. Im River Café werden Hummergabeln von Global zum Herauspulen verwendet. Viel besser als die Teelöffel mit denen wir in Ballymaloe Vorlieb nehmen mussten. Ich bin recht schnell bei der Sache und zu zweit sind wir recht bald fertig. Das braune Krebsfleisch wird durch eine flotte Lotte passiert. Ich frage, was man damit macht. "Das könnte auf Bruschetta oder in eine Sauce", antwortet er. Bei meinen Krebs in Ballymaloe, den ich selbst gekauft hatte, habe ich den Fehler gemacht, das braune Fleisch mit dem weißen Fleisch zu mischen. Das sieht unglaublich unappetitlich aus. Da fällt mir gerade ein, dass ich noch gar nicht gebloggt habe, was ich damit letztlich gemacht habe ... Der Koch jedenfalls freut sich wie Bolle, dass er mit dieser ungeliebten Arbeit so schnell fertig war.
Ich setzte noch ein Plauerdei über Foodie-Spots in London mit einer älteren Köchin fort. Sie rät mir zu der Fromagerie in Moxon Street, gleich neben dem "Ginger Pig". Ich frage, ob es in der Gegend voll ist - ich habe nämlich so gar keine Lust auf Großstadt und trauere immer noch River Cottage im beschaulichen Devon hinterher. "Das ist genau das richtige für Dich", befindet sie. Meine Schicht ist zuende. Ich mache mich auf den Weg Richtung Marylebone Highstreet.
Meine Erfahrungen im River Café, Teil 1
River-Café-Bücher
River Cafe Easy Kochbuch (deutsche Ausgabe)
Italienisch Kochen: Neue Rezepte aus dem River Cafe (deutsch)
Rezepte aus dem River Cafe : Das Kultbuch der neuen italienischen Küche. (antiquarisch, wahrscheinlich die Übersetzung des 1. "River Café Cookbook")
The River Café Classic Italian Cookbook (das neuste River-Café-Buch)
The River Cafe Green Cookbook
River Cafe Cookbook Two: Bk.2
The River Cafe Italian Kitchen (Buch zur Fernsehserie, gebraucht sehr günstig zu bekommen)River-Café-Kochbücher bei amazon.co.uk (häufig trotz Portokosten günstiger zu bestellen)
River-Café-Rezepte bei foolforfood.de
Chocolate, Walnut & Amaretto Cake
Dicke Bohnen mit Mozzarella, Rucola und Minze
Orchiette mit Rucola und Ricotta
Zucchini mit Mozzarella und Parmaschinken
8 Kommentare
Danke für's Mitnehmen! Auch die Berichte aus River Cottage waren toll.
Das sind ja alles keine Zutaten die man häufig zu Hause hat oder häufig isst. Ob man Moorhühner hier auch bekommt? Kannte bislang nur das Moorhuhnschießen :-) Toller Holzofen.
Schöner Bericht. Das denke ich mir, daß es anstrengend ist in so einem Restaurant. Ich liebe allerdings die Riverside Kochbücher.
Auch von mir danke für die tollen Berichte, ich habe auch immer mit Spannung die aus Ballymaloe verfolgt. Die arme Servierdame tut mir allerdings etwas leid, naja Foodsnobismus is ja mittlerweile weit verbreitet (oder ich les zuviele Kochblogs) ;-)
Nur für den (unwahrscheinlichen?) Fall dass Du jemals wieder nach Deutschland zurückkehrst: Wann können wir die ersten Kurse bei Dir buchen? ;)))
Claudia, ich bin erst vorgestern drauf gestossen, wo Du jetzt bist - irgendwie komme ich nur so sporadisch zum Lesen. Ganz super, ich freue mich so für Dich, das sind sicher tolle Erfahrungen!!!
Und danke für Deine Energie, dass Du es schaffst, so wunderbar davon zu berichten. :-)
@Melanie: So einen Holzofen hätte ich auch gern ...
@tobias_kocht: Riverside-Kochbücher? ;)
@berit: Ich kann mir vorstellen, dass man nach einiger Zeit das Mittagessen im River Café nicht mehr so zu schätzen weiß. Andererseits sah alles besser aus, als dieser Supermarktsalat ... Stimmt schon, Foodsnobismus ist weit verbreitet unter Foodbloggern. Ich rede aber noch mit Leuten, die nur normales Haushaltssalz verwenden ;)) Wenn mir allerdings jemand erzählt - wie gerade in London passiert - dass sie den fertigen Milchreis in Dosen kauft, dann spendiere ich einen Mini-Kochkurs im Milchreiskochen ;)
BasicBear: Ich arbeite dran ;))
@Barbara: Ja, diese Erfahrungen sind all den Aufwand wert. Fast wie Urlaub, wenn's nicht so anstrengend wär'.
Wegen der Kochkleidung, in der Schweiz gibt es eine junge Störköchin die macht ihre eigene Kollektion - http://www.cookcouture.ch/
Danke fuer den interessanten Bericht.
Ich ass vor ueber 20 Jahren, kurz nach der Eroeffnung des River Cafe, als arme Studentin zum ersten Mal dort und war voellig geschockt als die Rechnung kam. Den Rest der Woche gab es nur Toast mit Margarine.
Ein paar Jahre spaeter hatte ich dann das Glueck, eine zeitlang in einem Buero gleich nebenan zu arbeiten. Damals gab es im RC ein spezielles Mittagsmenu nur fuer Leute aus dem Buerokomplex fuer knapp £13 fuer zwei Gaenge - eine nette Geste.
Ich werde nun einen regnerischen Morgen gemuetlich damit verbringen, Deine River Cottage Berichte zu lesen.
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