Die Küche im River Café in London, Teil 1
Von Claudia am Okt 26, 2010 | In News, Alltagsküche, Fool for photos
Manchmal kann ich mein Glück kaum fassen. Das River Café in London ist weltweit bekannt, die beiden Gründerinnen Rose Gray (RIP, 2010) und Ruth Rogers sind Ikonen der Restaurant-Szene. Ich durfte mitarbeiten.
Für viele Köche wie Jamie Oliver, Hugh Fearnley-Whittingstall oder Sam Clark ("Moro") war das River Café Karrieresprungbrett und Inspirationsquelle in einem. Die Kochbücher der beiden Damen sind Bestseller, das nicht gelingende Rezepte für das signature dish "chocolate nemesis", eine Art Schokoladen-Mouuse-Kuchen, sorgte nach Erscheinen des River-Café-Kochbuchs für viel Wirbel. Würde es mir gelingen, den Köchen das Geheimnis zu entlocken oder liegt es - wie Rose Gray immer betonte - nur an den verschiedenen Öfen? Wie konsequent landen nur die wirklich guten Produkte im Essen?
Ich hatte viele Fragen im Kopf, als ich am Montagmorgen das Restaurant am Themse-Ufer betrat. Erst einmal umziehen, die Kleidung wird gestellt. Wie alle Frauen sehe ich in der Standardhose und Kochjacke fett aus. Die sind ja auch - welche Größe auch immer - für voluminösere Männer geschnitten. Obwohl recht viele Frauen in Restaurants arbeiten, merkt man: Das ist immer noch eine Männer-Domäne. Selbst bei Bragard in Paris, dem renommierten Laden für Kochbekleidung, gab keine Auswahl im engeren Sinne. Zwei Damen-Modelle gegenüber zwei Dutzend Jacken für die männlichen Kollegen, dazu auch aus nicht ersichtlichen Gründen mehr als doppelt so teuer.
Der versprochene Rundgang durchs Restaurant entfällt, der "Schichtleiter" kommt auf mich zu und zeigt auf einen Gastrobehälter mit Wolfsbarsch. Die Fische soll ich entschuppen. Kein Problem. Geht mit dem Schuppenentferner einfach, ich brauche aber meine Zeit. Der Koch, der das Filettieren übernehmen soll ist zufrieden, erklärt aber: "Die müssen aber auch noch ausgenommen werden." Ich schneide den Fischen also die Bäuche auf. Habe ich anderen Zwecken im Bio-Studium auch schon gemacht. Hier muss ich nicht ganz so akurat arbeiten und reiße die Eingeweide raus, spüle den Fisch und stecke ein Stück Küchenpapier in den hohlen Raum zum Austrocknen.
Nach den Fisch gibt es eine Kiste mit Steinpilzen, die gesäubert werden müssen. Die recht erdigen Stämme der Edelpilze werden hier mit einem Sparschäler abgeschabt. Zwischendurch schaut "Ruthie" wie Lady Rogers von allen genannt wird vorbei und fragt nach meinem Befinden.
Ich studiere die Mittagskarte. Mir war bewusst, dass das River Café preislich schon nicht ganz günstig ist. Bei den Preisen auf der Mittagskarte rechne ich mir aus, dass ein Mittagessen mit 3 Gängen (und der Servicepauschale) gut und gern 60£ kostet. Pro Person. Das mit Abstand teuerste Gericht ist das ganze Moorhuhn aus dem Holzofen, gegart in einem Montalcino, dazu Salbei-Kartoffeln aus dem Ofen und Feldsalat kostet 42£. Das günstigste Gericht ist niedergegartes Schweinefilet mit Rosmarin und Meersalz gefüllt, dazu Cima di rape (Rübengrün??), Cannelli-Bohnen und Salsa Verde für 28£ (ohne Servicepauschale).
Zum einen ist Essengehen in Großbritannien ohnehin teurer als in Deutschland, zum anderen zahlt man hier auch die wirklich guten Produkte. Die Fische sind sehr frisch - davon konnte ich mich morgens ja überzeugen, bei den Walnüssen für den Kuchen wurden die frischen, noch leicht feuchten Nüsse aus dem Périgord morgens geknackt und gehackt - selbst die Butter zum Kochen kommt aus Italien.
Anschließend darf ich hinter den langen Tresen, wo die Antipasti zubereitet werden. Ich wende Salat in etwas Dressing. Das Dressing ist vorgemixt und wird bei Bedarf immer wieder umgerührt. Drin sind: 1/3 Zitronensaft und 2/3 Olivenöl. Kein Geheimnis. Salz und Pfeffer stehen getrennt daneben. Jede Salatbeilage wird separat gewürzt. Das leicht angebratene Carpaccio wird mit dem Messer halb flachgedrückt, halb flach ausgezogen. Dazu rote und gelbe Bete aus dem Ofen, Rucola. Salami und Parmaschinken werden jeweils nach Bestellung frisch aufgeschnitten. Am Pass steht Ruthie und segnet jeden Teller ab, letzter Feinschliff mit Saucen, etc. liegt ebenfalls in ihrer Hand, außerdem leitet sie die Bestellung an die Küche weiter. Auf das Carpaccio kommt von ihr noch etwas Meerrettich-Sauce.
Langsam sind die ersten Gäste mit dem Hauptgericht fertig. Ich bekomme Bons mit Dessertwünschen und schneide Tartes auf, zu denen jeweils ein Klacks Crème fraîche gereicht wird. Die Panna Cotta an diesem Tag bekommt einen Schuss Grappa auf den Teller. Die Creme wird gestürzt. Eine der Köchinnen zeigt mir wie das geht. Sie gibt kochendes Wasser in eine Schale, stellt die Panna-Cotta-Schale dann für 10-15 Sekunden hinein. Die Creme flutscht einfach heraus. Etwas Grappa neben die Creme, das ist aber auch schon alles. Insgesamt sehr puristisch die Teller.
Die Tarte-Stücke für Gäste, die ein Komplettmenü (zum Festpreis) bestellt haben, bekommen ein kleineres Stück. Die Käseplatte hat es mir angetan. Ich darf den sehr leckeren La Tur und den Basajo, ein in Wein getränkter, lieblicher Blauschimmelkäse, sowie zwei weitere Käsesorten probieren. Sehr lecker. Dazu gibt es etwas Membrillo, das aber eher einem Mus ähnelt sowie sizilianische sardische Carta Musica, ein äußerst flaches und knuspriges Brot, das schon auseinanderbricht, wenn man es nur schief anguckt, und Grissini.
Nach dem Mittagsgeschäft ist gegen 15:30 Mitarbeiteressen. Übriggebliebenes sowie ein großer Topf frisch gekochter aber keineswegs frisch gemachter Pasta wird hinter dem Tresen aufgebaut, jeder bedient sich. Gegessen wird in einem separaten Raum.
Ich habe wirklich Glück an diesem Tag: Der Service bekommt ein kleines Cheese & Wine-Tasting mit Weinen, die demnächst kommen werden, außerdem ein paar neue italienische Käsesorten. Ich probiere nochmals den Basajo, der das Potenzial zum Lieblingsblauschimmel hat, sowie weitere Käsesorten. Dazu passende Weine. Zum Basajo hat der französische Sommelier einen karamelligen Marsala ausgewählt, ein anderer Käse wird von einem Südtiroler Lagrein begleitet, noch ein anderer Käse findet in einem leckeren Amarone sein passendes Gegenstück. Während der Amarone später nur flaschenweise angeboten wird, wird es den Marsala glasweise geben. Sinnvoll. Wer bestellt schon eine ganze Flasche Marsala?
Eine kurze Impression aus dem Café als Rose Gray noch lebte:
[video:youtube:LkrFZLuOHpE]
Dann ist mein Tag im River Café auch schon zuende. Mit einem Ticket an der Fensterscheibe meines Wagens trete ich den Heimweg an, der gut 2,5 Stunden aufgrund einer Vollsperrung einer 6 spurigen Straße. Merke: Alle sensiblen Parkzonen werden oft mehrmals täglich kontrolliert. Reichlich Parkplätze in Nähe des River Cafés gibt es. Parkgebühr: 1,80 GBP pro Stunde. Ich hatte morgens nur 5,30 Pfund eingeworfen. Am nächsten Tag darf ich dann die Erfahrung machen, dass für diese Strecke selbst 16 Pfund Parkgebühren kein finanzieller Grund sind, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen.
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Teil 2 meiner Berichte aus dem River Café
River-Café-Bücher
River Cafe Easy Kochbuch (deutsche Ausgabe)
Italienisch Kochen: Neue Rezepte aus dem River Cafe (deutsch)
Rezepte aus dem River Cafe : Das Kultbuch der neuen italienischen Küche. (antiquarisch, wahrscheinlich die Übersetzung des 1. "River Café Cookbook")
The River Café Classic Italian Cookbook (das neuste River-Café-Buch)
The River Cafe Green Cookbook
River Cafe Cookbook Two: Bk.2
The River Cafe Italian Kitchen (Buch zur Fernsehserie, gebraucht sehr günstig zu bekommen)River-Café-Kochbücher bei amazon.co.uk (häufig trotz Portokosten günstiger zu bestellen)
River-Café-Rezepte bei foolforfood.de
Chocolate, Walnut & Amaretto Cake
Dicke Bohnen mit Mozzarella, Rucola und Minze
Orchiette mit Rucola und Ricotta
Zucchini mit Mozzarella und Parmaschinken
12 Kommentare
mir läuft das Wasser im Mund zusammen!
Hört sich alles sehr lecker an. Den Käse hätte ich auch gern probiert mmhh.
so kommt man an billige Arbeitskräfte! Recht pfiffig....
Aber Butter aus Italien, nun denn, die hâtte ich mit den Nüssen aus F. kommen lassen!
@Susanne: Hach, es ist auch in Hamburg gar nicht so einfach, an diese ganzen erlesenen Käse zu kommen ...
@Bolliskitchen: Welche andere Möglichkeit hat man, in solche Restaurants Einblick zu gewinnen? Das Cheese- & Wine-Tasting war klasse. Und ich durfte ja zeitweise auch ein wenig umherlaufen und anderen Köchen zuschauen und mir viel von denen erklären lassen. Dabei lernt man deutlich mehr als in Kochkursen oder aus Büchern. Für mich sind das unbezahlbare Erfahrungen und Erinnerungen - und so viel besser als würde ich ständig nur in meinem eigenen Saft schmoren ;)
Bei der Butter bin ich d'accord. Aber das River Café ist ein italienisches Restaurant. Gäb's in Italien so gute Walnüsse - ich glaube, die würden dann auch eingeflogen werden. Der Sommelier ist Franzose, es gibt aber ausschließlich italienische Weine.
Das ist ja wirklich ein super Erlebnis, beneide Dich (im positivem Sinne). Allerdings, neben Butter aus Italien (ist es wenigstens aus dem Piemont?) ist mir noch etwas aufgestoßen: carta musica ist doch Sardisch, nicht Sizilianisch?
@Hande: Du hast natürlich völlig Recht, Carta Musica ist sardisch - mea culpa! Und dabei habe ich das Brot, nachdem ein Freund mit Verwandtschaft auf Sardinien es angeboten hatte - schon einmal nachgebacken ...
Gratuliere! Freut mich sehr, dass du uns wieder daran teilhaben lässt.
Cime di Rape (rapa hab ich auch schon gehört) lief in unserem Apulien-Reiseführer unter Stängelkohl. Schmeckte ähnlich wir Brokkoli, nur etwas bitter und fester.
Ich kenne Cima di Rapa aus Norditalien, in der Gegend von Neapel sagt man meist Friarelli dazu. Dann gibt es auch noch die Bezeichnung Broccolotti. Auf jeden Fall ein herrliches Gemüse, dass wunderbar zu Fleisch aber auch zu Nudeln passt.
Was für ein Zufall!
Ausgerechnet heute habe ich das Buch "Rezepte aus dem River Café" zugeschickt erhalten...
Und muss mich in dem Fall umgehend um die Chocolate Nemesis kümmern - das Geheimnis hast Du also nicht wirklich gelüftet ;-)
Danke für den tollen Bericht, mein uneingeschränkter Neid ist Dir gewiss!
@zorra: Das mache ich doch gern - und ich kann später noch einmal nacherleben ...
@anie & Sabrina: Ich denke, das könnte dann "sprouting broccoli" sein - den haben wir in Deutschland ja noch nicht - ist aber in GB sehr geläufig.
@Coriandre: Die Informationen, die ich zur Chocolate Nemesis bekam, waren auch sehr widersprüchlich. Ich habe sie aber serviert. Sehr tricky, heil auf den Teller zu bekommen. Das ist irgendwie eine Art pot de creme in Tortenform. Pure Schokoladen-Dekadenz ;)
Es ist großartig, wie sehr Du dieses Jahr kulinarisch rumgekommen bist! Für Dich – und für uns! Ich freue mich aber vor allem für Dich und diese viele großartigen Erfahrungen!
Sehr cool :) Ich habe übrigens gerade mein River-Cafe-Kochbuch raus gekramt und werde mich umgehend an der "Chocolate Nemesis" versuchen
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