River Cottage HQ
Von Claudia am Okt 5, 2010 | In News, Landleben, Kochschulen
Ich habe Sie auf Facebook ein wenig auf die Folter gespannt, wo ich mich gerade aufhalte. Ich kaufe ein "R" und möchte lösen: River Cottage!
Seit einigen Jahren - eigentlich seit ich erstmals Bücher und TV-Serien auf DVD sah - bin ich ein großer Fan von Hugh Fearnley-Whittingstalls Foodprojekten. Charmante Serien rund ums Leben auf dem Land, den Alltag eines Smallholders, aber auch Serien, in denen es um den Ansatz von Saisonalität und Regionalität geht. Aber natürlich ist Hugh Fearnley-Whittingstall schon lange nicht mehr der kleine Farmer, sondern sein River-Cottage-Projekt ist inzwischen ein etwas größeres Unternehmen. Dazu gehören die Canteens in Axminster (Devon) und Bath sowie Park Farm (aka River Cottage HQ, HQ = Headquarters). Park Farm ist einerseits das Zentrum aller River-Cottage-Aktivitäten, aber auch Kochschule und Testküche.
Frisch ausgestattet mit dem Zertifikat der Ballymaloe-Cookery-School habe ich mich bei Hugh Fearnley-Whittingstall beworben. Mir war klar, dass dort momentan keine Jobs frei sind, aber bei einem Praktikumsplatz rechnete ich mir eine Chance aus. Und so bekam ich dann auch eine positive Antwort von Küchenchef Gill. 2 Wochen werde ich in der Testküche mitarbeiten. Unterkunft fand ich bei einer Mitarbeiterin, die ein Cottage in Bridport hat.
Heute trat ich meinen Dienst an. Es lief ein Kochkurs zum Thema "Preserving" (Einmachen/haltbar machen). Geleitet wurde der Kurs von Pam Corbin ("Pam, the jam"), deren Buch Preserves: River Cottage Handbook No.2 auch bei mir im Buchregal steht. Sie ist eine echte Koryphäe auf dem Gebiet des Haltbarmachens. Die Teilnehmer an dem Kurs lernten heute nicht nur, wie man Marmelade kocht, sondern auch wie man Fruchtleder und Quittenbrot (auch Quittenkäse oder Quittenspeck genannt, engl. quince cheese, span. membrillo) selbst macht, sondern auch, wie man Mince Meat macht. Mince Meat ist eine typisch britische Fruchtmischung für Mince Pies, die gern in der Weihnachtszeit gegessen werden.
Ich habe für den Kurs Äpfel und Birnen geraffelt, das Quittenbrot gelegentlich umgerührt und div. Gläser mit Gemüse befüllt, die im Kurs mit einem Würzessig aufgefüllt wurden.
Aber das war natürlich nicht alles. Hauptsächlich habe ich mich mit um die Verpflegung der Kursteilnehmer gekümmert. Es gab Scotch Eggs mit Pfifferlingen und Salat. Scotch Eggs kannte ich bislang nicht: Es sind hartgekochte Eier, die in Hack verpackt werden. Umhüllt von einer Panade werden sie dann frittiert. Ich habe dabei gelernt, wie man viele Eier auf einmal in das kochende Wasser gleiten lässt. Nie wieder werde ich den Heckmeck mit einem Löffel veranstalten. An einen Eierpiekser habe ich noch nie geglaubt. Ich habe die Eier in eine Metallschüssel (pro Topf kamen 15 Eier ins Wasser) gegeben und diese leicht schräg ins kochende Wasser gehalten. Und so kullerten die Eier schnell ins Wasser. Kaputt ging dabei kein einziges. Ein andere Köchin hat einfach den Eierkarton ins Wasser gehalten und die Eier reingekippt.
Eine weitere Aufgabe: Kuchen backen. Für den Nachtisch. Ich durfte einen Almond-Pear-Kuchen backen. Ich bekam das Rezept und die Anweisung, die 5-fache Menge zu machen. Da die Springformen größer waren als im Rezept angegeben, habe ich letztlich daraus 3 Kuchen gebacken. Dazu gab es eine Kugel Eis und einen reduzierten Sirup aus der Flüssigkeit, in der die Birnen pochiert wurden. Das Rezept verlangte zwar nicht nach pochierten Birnen, aber es war noch eine große Menge übrig. Der Kuchen kam sehr gut an, die Gäste haben leere Teller hinterlassen.
Was mich besonders gefreut hat: Der Ton in der Küche ist trotz aller Hektik sehr freundlich, alle arbeiten ruhig vor sich hin. Eine Köchin kam immer mal wieder aus der Schulküche und brachte uns die eine oder andere Marmelade zum Probieren. Oder eine Chili-Schote. Nachdem eine Küchenhilfe die probiert hatte ohne eine Miene zu verziehen, genehmigte ich mir auch ein ca. 3 mm langes Stück. Ich hatte lange Freude daran und hätte am liebsten mit der Milch gegurgelt, die man mir reichte. Aber immerhin musste ich nicht wiederbelebt werden ...
Das Wetter war heute grandios und das beste Wetter, das man sich für den ersten Tag in River Cottage vorstellen kann: Warm und eine strahlende Sonne. Man erklärte mir, dass das Wetter hier immer so sei. Ich warf ein, dass das wahrscheinlich auch eine Grund dafür sei, warum Wellies (Gummistiefel) so beliebt sind ...
Die kurze Mittagspause habe ich für einen Spaziergang durch den Garten genutzt.
Ein kleines Highlight nach Feierabend: Pam Corbin fuhr mit ihrem alten Morris vor. Tolles Auto, toller Sound. Baujahr schätzungsweise 1955.
Morgen ist Pilz-Kurs und wir werden etwas kochen, was die Teilnehmer am Kurs mit John Wright (Mushrooms: River Cottage Handbook No.1) dann serviert bekommen . In nächster Zeit gibt es einige Pilzkurse - vielleicht habe ich sogar die Chance einmal mitzugehen.
Alle Artikel zu meiner River-Cottage-Zeit
River Cottage - Tag 2 & 3
River Cottage - Tag 4 - ich stehe am Herd
River Cottage - der "Bread & Build"-Tag (Ofenbaukurs)
River Cottage - Tag 6 - meine Aufgabe: Sausage Rolls
Friday Night @ River Cottage
Mushroom Hunting - der River-Cottage-Pilzkurs mit John Wright
Bridport Farmers' Market
11 Kommentare
Congratulations! What a wonderful experience.
Super! Das River Cottage Everyday ist eines meiner Lieblings-Alltags-Kochbücher. Da schau ich gerne und oft rein! Bin schon gespannt auf die weiteren Berichte...
Wow! Was für ein tolles Erlebnis. Freu mich ebenfalls schon auf weitere Berichte.
Toll!!! geniesse jeden Tag,herzliche Grüsse aus Ballymaloe/Shanagarry
Brigitte
Oh, welch ein tolles Praktikum!
Kannst Du bitte das Rezept für Mincemeat posten? Ich liebe Mincemeat Pies, seit ich als Teenie in England war (und das ist schon ziemlich lange her), bekomme das aber hier so schwer und wusste überhaupt nicht, dass man das selber machen kann.
Oh, wie spannend! Eine eventuelle Pilzexkursion würde ich mir da auch nicht entgehen lassen wollen.
Wow, das sind ja tolle Neuigkeiten. Wünsche Dir weiterhin viel Spaß und freue mich auf weitere Berichte. Scotch eggs, was es alles gibt?! ;) Hört sich aber äußerst lecker an.
Wow, Du hast es drauf! Danke, dass Du uns jeweils mit auf die Reise zu diversen Kochkurs- bzw. Praktika in aller Welt nimmst. Hoffe die Chili-Schote brennt nicht mehr nach...
Mince meat hat mich etwas verwirrt. Mir war so, als ob dieser Begriff im Englischen ein Synonym für Hackfleisch im allgemeinen sei. Zumindest in Neuseeland gab es immer minced meat, wenn es Gehacktes gab. Bitte um Aufklärung ;-)
Mir sagte River Cottage nicht, aber nach etwas Lektüre über das Konzept, finde ich es spannend. Wünsche eine gute Zeit.
@My Kitchen in the Rockies: Yes, it is! :)
@Birgit: Das Everyday-Buch ist sehr gut. Mein absoluter Liebling ist aber das Meat-Book - auch wenn man daraus nicht unbedingt so viel kochen kann. Ist mehr "Wissenslektüre".
@Daniela: Bin auch ziemlich stolz darauf :)
@ManuRitter: Danke!
@Brigitte: Ich verfolge Deine Berichte aus Ballymaloe auch sehr gespannt!
@Ute-S: Ja, das habe ich noch vor. Ich habe heute im Supermarkt sogar "Suet", also Kalbsnierenfett gekauft - bin mir allerdings nicht sicher, ob Pam Corbin das auch verwendet.
@SchnickSchnackSchnuck: Ja, auf die Pilzexkursion möchte ich unbedingt.
@allesistgut: Ich fand die Scotch Eggs auch sehr interessant.
@multikulinaria: Ja, das mit mincemeat und minced meat ist etwas verwirrend. Ich dachte auch, die Briten würden zu Weihnachten kleine Hackfleischpastetchen servieren ... ;) Mincemeat ist eine Mischung aus Trockenfrüchten, Brandy, Gewürzen und häufig Kalbsnierenfett. Früher war wohl auch immer etwas Fleisch mit drin.
@Karsten: Ja, ich muss damit leben, dass all die tollen Dinge, die ich unternehme, kaum jemandem etwas sagen in Deutschland. Das war mit der Ballymaloe Cookery School auch schon so. Da schreibt sogar die New York Times fast 'ne ganze Seite über die Cookery School und in Deutschland kennt das keine Sau. Briten, denen ich davon erzähle sind jedenfalls immer ganz aus dem Häuschen, wenn sie von meinen Trips erfahren. ;)
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