Pilze finden
Von Claudia am Sep 10, 2006 | In Norddeutsches, Fool for photos, Vegetarisches, Tipps & Tricks
Nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 waren Waldpilz lange tabu, zu hoch die Belastung mit radioaktiven Stoffen. Doch schon Mitte der 90er-Jahre meinte ein Biologie-Professor von mir: "Wenn Sie die Pilze in Wasser kochen und das Wasser weggießen, kann man die wieder essen." So ganz habe ich mich aber doch nicht dran gewagt. Gestern ging es seit mehr als zwei Jahrzehnten zum ersten Mal wieder in die Lüneburger Heide zum Pilze finden.
Die Stellen, an denen früher üppige Funde garantiert waren, hatten sich gewandelt. Wo einst dichtes Unterholz war, gab es nun Wege und lichten Nadelwald. Als erstes fiel uns auf, dass wir - abgesehen von ein paar Waldarbeitern - den Wald für uns hatten.
Früher traf man zu dieser Jahreszeit einige "Spaziergänger", die entweder stolz ihre vollen Holzkörbchen vor sich hertrugen oder die leeren vor neugieren Blicken verbargen. Doch diesmal schienen sogar einige Wege selten genutzt. Die vielen Blaubeerstr?ucher hingen teilweise noch voller Bickbeeren. Früher waren einige Vandalen-Sammler mit Gabeln unterwegs, die die Beeren nicht pflückten, sondern mit der Gabel gleich das ganze Blattwerk mit einsammelten.
Die Einsamkeit war uns nur recht, denn bekanntlich sind zuviele Jäger des Hasen Tod. Es dauerte nicht lange und wir hatten die ersten Maronen, den ersten Steinpilz. Ich sammle nur diese beiden Sorten Pilze, die ich sehr gut kenne. Es gibt zwar noch viele andere essbare Pilze, aber auch erfahrene Sammler können ja mal irren. Die Pilze haben wir vor Ort schon grob gesäubert, bei den Maronen vor allem die Lamellen dem Wald zurückgegeben. Sollen Pilze abgeschnitten oder abgedreht werden? Darüber streiten Pilzsammler schon mal. Ich schneide sie ab, denn beim Rausdrehen, passiert es, dass man noch etwas vom eigentlich Pilz aus dem Boden reißt. Der Pilz wächst ja in der Erde, was wir genüsslich verspeisen ist der Fruchtkörper.
Auf einigen Flächen gab es viele Pilze zu entdecken, auf anderen fand sich fast gar nix. Zum Schluss hatten wir dann doch ein kleines Körbchen voll mit Pilzen, die wir stolz nach Hause trugen. Ich habe nebenbei noch ein paar Bickbeeren gepflückt, wohl die letzten, denn die Saison ist eigentlich schon vorbei. Zu Hause gewogen ergaben die Beeren knapp 200 g. Dass die Jäger und Sammler angesichts der Mühsal den Tag mit Essensuche verbrachten, überrascht mich nicht.
Von den gesammelten Pilzen habe ich ein paar zum Trocknen genommen, den Rest habe ich meinen Eltern überlassen. Für die gibt es Pilze allein nur mit Speck und Zwiebeln oder als Zugabe zum Gulasch. Experimente streng verboten.
Beim Essen dann die große Überraschung. Es waren wohl doch nicht nur Maronen und Steinpilze. Ich hatte ein unglaublich bitteres Erlebnis. Bei diesem einen Pilzstück wurde mir wieder bewusst, was "bitter" eigentlich heißt. Später hatte auch mein Vater ein bitteres Pilzstück. Im Pilzbuch las ich anschließend, dass beim Gallenröhrlich "die Ähnlichkeit junger Exemplare mit jungen Steinpilzen so groß ist, dass selbst erfahrene Pilzsammler immer wieder darauf hereinfallen." Allerdings stand dort auch, dass ein einziger Gallenrlhrlich eine ganze Pilzmahlzeit verderben kann. Und der Rest war ja durchaus sehr lecker. Auch wenn der Gallenröhrlich bitter schmeckt: giftig ist er nicht. Soweit ich mich erinnere hat die Marone und auch der Steinpilz keine zum verwechseln ähnliche, aber giftige Pendants. Somit war lediglich das Geschmackserlebnis etwas getrübt. Es zeigt aber: Selbst wenn die Pilze durch die Hände von drei Pilzkennern wandern, kann man getäuscht werden. Ich vermute, dass es ein kleiner Pilz war, denn au?er zwei, drei kleinen Stücken war alles in Ordnung.
Zum Nachtisch gab es Crêpes mit etwas Blaubeerkompott, das ich schnell aus den gesammelten Beeren gekocht hatte. Selbst gesammelt hat das Kompott nat?rlich gleich doppelt gut geschmeckt.
Meinen Pilzanteil habe ich Zuhause auf einen Bindfaden gefädelt, damit die Pilze platzsparend trocknen können. Kein leichtes Unterfangen, denn die zarten Pilze werden bisweilen vom Faden durchtrennt. Getrocknete Steinpilze passen prima zu Nudelsaucen und verfeinern natürlich auch Bratensaucen. Die getrockneten Steinpilze lassen sich auch prima zu Steinpilzmehl weiterverarbeiten. Frisch schmecken Steinpilze unwiderstehlich in einem Steinpilzrisotto, etwa das von Lea Linster.
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5 Kommentare
Sch?ne Pilzfotos!
Maronen lasse ich stehen, die werden mir beim Garen zu schleimig, au?erdem sind sie hier im Bayerischen Wald immmer noch heftig belastet.
Das Problem mit den Gallenr?hrlingen kenne ich gut, die haben uns am Anfang unserer Sammlerkarriere auch mal reingelegt - ein Kenner hat uns damals ?ber unseren tollen "Steinpilzfund" aufgekl?rt. Seitdem probiere ich in Zweifelsf?llen immer ein St?ckchen vom Pilz (genauso wie bei T?ublingen).
Bei den Pilzen, die ich getrocknet habe, habe ich an einigen Pilzen auch noch mal eine Ecke probiert. Ist ja Gott sei Dank nicht giftig. Sollte jeder mal probiert haben ;-)
Ich hab mal gelesen, die Steinpilze h?tten im Stiel-Bereich unter der Kappe eine wei?e Netzzeichnung und Gallenr?hrlinge eine braune. Jedenfalls achte ich seitdem darauf und habe bis jetzt nur Steinpilze erwischt :-)
Danke f?r den Tipp! War auch das allererste Mal, dass mir so einer unter gekommen ist. In meinem Pilzbuch steht auch: "Stiel br?unlich, schlank keulenf?rmig, ?berall mit deutlich dunklerer Netzzeichnung auf hellem Grund. [...] Sporenstaub rosa.
Vor allem f?r weniger ge?bte Pilzsammler gibt es aktuell gute Tipps vom Deutschen Gr?nen Kreuz (http://www.dgk.de/web/dgk_content/de/umwelt_und_gesundheit_tipps_nahrung_aus_dem_wald_pilze.htm).
Als wichtigste Regel, die Du ja brav befolgst, wird dort genannt: Keine Experimente! Nur Pilze sammeln, die man zweifelsfrei erkennt! Die Seite bringt gute Adressen und Links zum Thema.
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