Tafelhaus vs. Piment
Von Claudia am Nov 5, 2006 | In Restaurants
Kochtechnisch wird die vergangene Woche keine bleibende Erinnerung hinterlassen. Zum einen habe ich viel gearbeitet, zum anderen habe ich außer Haus gespeist. Mehr als essen kann selbst ich nicht, so dass Selbstgekochtes schlichtweg keinen Platz mehr gefunden hätte. Dafür gibt's heute einen Restaurant-Vergleich.
Montagabend. Das zunächst angesteuerte "Sgroi" in der Langen Reihe hatte geschlossen. Wie so viele Restaurants am Montag. Auf der Suche nach einem netten Restaurant landen wir schließlich im "Tafelhaus" direkt an der Elbe. Es war zwar schon spät, aber die Küche nimmt noch bis 21:30 Uhr Bestellungen an. Wenig kreativ ordere ich das Gleiche wie mein Gegenüber: Perlhuhn im Brickteig mit karamellisierter G?nseleber auf Champagnerkraut und grüner Traubensauce. Dazu einen St. Julien (aus dem Medoc, also ein roter Bordeaux). Der Wein ist köstlich, eine gute Wahl, wohltemperiert. Bevor wir das Hauptgericht bekommen gibt es kleine Mini-Flûtes mit dreierlei Dip (oder war es nur einer? Der Wein (?) hat ganze Arbeit geleistet ...). Dann ein kleiner "Gruß aus der Küche", wie er in besseren Restaurants heute schon fast überall dazugehört. Auch hier versagt knapp eine Woche später die Erinnerung. Dann der Hauptgang. Wir hatten beide etwas Geflügeligeres erwartet, doch das Perlhuhn versteckt sich im Brickteig, vom Aussehen her ein wenig wie knusprige Cannelloni. Sehr lecker. In der Mitte des Tellers dominiert gebratene und leicht karamellisierte Gänseleber. Das Ganze ist auf Champagnerkraut gebettet, dazu Sauce und halbierte Trauben auf dem Teller. Wir befinden Kraut und Sauce unisono als zu salzig. Die Gänseleber ist perfekt, leicht knusprig-salzig und gleichzeitig karamellig. Deliziös. Noch ein Schlückchen Wein.
Dann der Nachtisch. Für mich Tarte tatin von der Zwetschge mit Rumsahne und eigenem Sorbet. Mein Gegenüber ordert eine Auswahl vom gereiften Käse. Die Bedienung kommt dazu mit einem Wagen und diversen Käsesorten, von denen abgeschnitten wird. Meine Tarte finde ich ok, das Sorbet ist im Gegensatz dazu eine Steigerung. Die Rumsahne rundet das Ganze ab, der Rum macht sich angenehm schwach bemerkbar. Die Käsesorten finden Gefallen, ich ärgere mich im Nachhinein ein wenig, dass ich die Namen nicht mitgeschrieben habe. Das hätte das Essen aber ohnehin nur gestört. Zum Espresso gibt es eine kleine Auswahl Pralinen. Dass ich ausgerechnet die Orangentrüffel erwische ist Pech. Die sortiere ich sonst immer aus. Wer mich jetzt für krüsch hält: Das geht in Ordnung. Bei dem insgesamt leckeren Essen konnte ich eines nicht so ganz genießen: Den Blick auf die Schiffswerften auf der anderen Seite der Elbe. Ich saß mit dem Rücken zum Wasser. Als Hamburgerin mag ich die Aussicht zwar immer noch sehr gern, aber sie hat nichts Exotisches für mich. So ziemlich als letzte verlassen wir das Restaurant.
Freitagabend. Für diesen Abend habe ich einen Tisch im "Piment" im Lehmweg reserviert. Der Vergleich mit dem Tafelhaus ist natürlich unfair. Zum einen hat Piment-Koch Wahabi Nouri einen Michelin-Stern, zum anderen bestellen wir hier die komplette Speisekarte. Die besteht an diesem Abend aus zwei Menüs, wobei der Gast auch die einzelnen Gänge à la carte bestellen kann. Ich entscheide mich für das Piment-Menü, ordere aber als Hauptgang das Salzwiesenlamm aus dem anderen Menü. Schon der Gru? aus der Küche stimmt auf das ein, was später kommt: kleine Kunstwerke. Ich starte mit Loup de Mer auf Ratatouillesalat und Pulpotartar. Danach kommt ein getrüffeltes Süppchen, beides schon mal erstklassig und raffiniert gewürzt. Großartig dann ein gebratener Kartoffelravioli auf Pilznage. Man könnte auch sagen "mit Pilzragout" ... Beim lauwarmen St. Maure auf Feigenkompott überlege ich erst, ob das evtl. ein weiterer Fischgang sein könnte, bleibe aber bei der Vermutung auf "Käse". Das Feigenkompott sehr fruchtig, der Ziegenkäse würzig aber nicht streng. Bevor ich dann mein Lamm bekomme, erst einmal ein Zwischengang mit einem leckeren Apfelsorbet. Das Lamm dann eine Offenbarung. Ich genieße das zarte Fleisch, das auf den Punkt gebraten und gewürzt ist. Kann sein, dass ich jetzt einen Gang vergessen habe, aber auch hier wollte ich mir das Notizenmachen ersparen. Zum Abschluss gab es für mich einen Topfenknödel, der recht unspektakulär daherkam. Die Bombe war das Himbeersorbet dazu, das nicht nur farblich mehr als ein Knaller war, sondern auch geschmacklich den Sommer zurückholte und unglaublich cremig auf der Zunge schmolz.
Mein Gegenüber erfreute sich beim Hauptgang an Kalbsbäckchen gratiniert in Schalotten (lecker, habe ich ebenfalls probiert.) Ein kleines Rätsel gab uns sein Kardonen-Törtchen auf. Auf Nachfrage erfahren wir, dass Kardonen eine Art marrokanische Zucchini sind. Oder hat der Kellner "Artischocke" gesagt? Das wäre logischer, denn wie ich recherchiere, sind Kardonen mit der Artischocke verwandt, gegessen werden aber lediglich die Stile. Kardonen sind ein Wintergemüse - sehr löblich, denn so war das meiste dieses Menüs saisonalen Ursprungs.
Als Wein hatten wir hier einen badischen Grauburgunder von K. H. Johner gewählt. Da ich die Weine dieses Winzers gern mag, fiel mir die Wahl nicht schwer, allerdings tat sich mein Gegenüber mit meiner Entscheidung etwas schwer, um nicht zu sagen, der Wein hat ihm nicht geschmeckt. Wir verzichten auf einen Espresso zum Schluss, genießen aber noch die kleinen K?stlichkeiten, die gereicht werden. Auch hier werden die Geschmacksnerven noch einmal angenehm gekitzelt, doch ich bin schon gut gesättigt. Den Espresso hätten wir uns gern noch genehmigen können, denn unsere Anschlussveranstaltung im Planetarium mussten wir verfallen lassen.
Wenn ich um einen Vergleich gebeten werde: Klarer Punktsieg für das Piment, auch wenn ich die Speisekarte hier wesentlich intensiver gekostet habe, und das Tafelhaus somit etwas verblasst. Kunstvoll dekorierte Speisen im Piment, gut und raffiniert gewürzt. Klar, wird auch im Tafelhaus auf sehr hohem Niveau gekocht, doch das zu stark gesalzene Gericht bekommt bei mir klare Minuspunkte in der Pflichtübung. Mir gefällt zudem das intime, fast familiäre Ambiente des Piments besser als das Tafelhaus, das einem bisweilen etwas unterkühlt-mondän vorkommt. Aber wie gesagt: ein unfairer Vergleich.
Mal sehen, zu welchen Eigenkreationen mich das Genossene noch inspiriert.
Update 2008: Christian Rach vom Tafelhaus hat vom Guide Michelin einen Stern bekommen.
2 Kommentare
Wie sch?n, endlich ein Eintrag! Habe schon die ganze Woche sehns?chtig gewartet. Wer wei?, vielleicht komme ich eines Tages wegen ihnen noch nach Hamburg um die Restaurants zu testen.
Danke f?r die regelm??ige Unterhaltung!
Da kann ich Marie nur zustimmen! Der Restaurantbericht lie? mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Weiter so!
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